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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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also kein Problem, doch was sollte sie ihrer Nellie nur anziehen? Das Bild, das sie Katharina bei der Ankunft bieten würde, bereitete Helene einiges Kopfzerbrechen, während sie den Männern, die ihre Truhe zwischen sich trugen, auf dem engen Dschungelpfad folgte. Die exotischen Geräusche des Waldes schreckten sie nicht mehr, sie hatte sich an die merkwürdigen Tierlaute gewöhnt und wusste dank der Orta sogar meist, welcher Vogel oder welche Echse sich hinter dem Rufen oder Zischen verbarg. Nur ihre Angst vor Spinnen und Schlangen hatten ihr die Orta bislang nicht nehmen können, doch solange sie aufpasste, wohin sie trat, und Spinnennetze mied, sollte sie einigermaßen sicher sein.
    Ihre Gedanken wanderten wieder zur Schwester. Was würde Katharina denken, wenn sie nach all den Jahren des Schweigens plötzlich vor ihr stand? Mit einem Baby im Arm, einer Aborigine an ihrer Seite und zwei Schwarzen, die die Truhe ihres Vaters hielten? Wusste Katharina überhaupt, dass Helene schon seit Jahren in Australien lebte? Von Helene selbst jedenfalls nicht, so viel stand fest. Und wenn nicht jemand aus Salkau oder Neu Klemzig noch heimliche Kontakte zu Katharina unterhielt, würde Helenes Auftritt morgen für eine gewaltige Überraschung in der kleinen Siedlung sorgen. Meena Creek, so hatte es ihr die Alte bei den Orta erklärt, das war nicht viel mehr als zwei oder drei Farmen, die in einiger Entfernung zueinander hauptsächlich Zuckerrohr anbauten. Zu gerne hätte Helene Näheres über Katharina und ihre Familie erfahren, doch die Alte schwieg beharrlich.
    Helene schaute auf ihr Kind. Nellie schlief an ihrer Schulter. Sie hatte das Baby in ein Kopftuch gewickelt und trug es nun, so behutsam es eben ging, durch den Dschungel. Immer wieder musste sie mit einer Hand Äste fernhalten, während sie vorsichtig über Ranken und Efeu stieg, die den schmalen Pfad überwucherten. Ihr dichtes Haar hatte sie noch vor dem Aufbruch am frühen Morgen zu einem einfachen Dutt aufgesteckt, doch schon bald waren ihr schwere schweißgetränkte Strähnen ins Gesicht gefallen. Helene wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie bedrückend ihre Lage eigentlich war. Wie war es nur dazu gekommen, wie hatte das passieren können?
    Unwillkürlich wanderten ihre Gedanken zurück nach Neu Klemzig, und sie verspürte so etwas wie Zorn, als das Bild des makellosen Dorfes vor ihrem inneren Auge auftauchte. Dort ging das Leben weiter wie bisher. Es würde einfach so sein, als wäre sie dort nie aufgetaucht.
    Eine Spur von Bitternis grub sich in ihre Gesichtszüge. Die Gemeinde würde wie gewohnt weitermachen. Ihr eigenes Leben hingegen war völlig durcheinandergewirbelt. Sicher, es war ihre Entscheidung gewesen zu gehen. Doch was hätte sie schon anderes tun können? Die Wahrheit war doch, dass sie gar keine Wahl gehabt hatte. Diese ach so frommen Lutheraner, deren Drohung ihr noch in den Ohren klang, hatten ihr keine andere Wahl gelassen. Helene schluckte, die Erinnerung schnürte ihr die Kehle zu. Gleichzeitig trieb ihr der Gedanke, dass sie Neu Klemzig und seine Bewohner nie wiedersehen würde, Tränen in die Augen. Die grüne Hölle, die sie jetzt umgab – war das fortan ihre Hölle? Die gerechte Strafe für ihre Sünden?
    Mit einem Räuspern zwang sie sich in die Wirklichkeit zurück. Sie konnte sich diese Gedanken nicht erlauben. Sie musste stark sein, sie war eine Mutter, die allein für ihr Kind verantwortlich war. Beschützend hielt sie Nellies Köpfchen an sich gedrückt, als sie über knorriges Wurzelwerk kletterte. Nie hätte sie es für möglich gehalten, wie viel Liebe sie für dieses neue Wesen empfinden könnte. Die entfremdete Schwester um Aufnahme bitten zu müssen, das fiel ihr nicht leicht, aber sie wollte es tun. Sie würde alles tun. Sogar sich vor Katharina in den Staub werfen, wenn sie nur ihr und dem Baby half.

    Als sie am nächsten Vormittag aus dem schattigen Urwald traten, blendete die bereits hochstehende Sonne Helene so sehr, dass sie zunächst nicht aufblicken mochte. Sie drückte Nellies Gesicht auf ihren Busen, um das Kind vor dem grellen Licht zu schützen. Die Träger hatten die Truhe abgestellt und diskutierten anscheinend, wohin die Reise nun gehen sollte. Die Landschaft, die sich vor ihnen auftat, war atemberaubend schön. Eine tiefgrüne, sanft geschwungene Hügelkette umrahmte das weite Tal im Westen, das auf östlicher Seite vom Dschungel begrenzt wurde. Nach Norden und

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