Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
drauf.«
»Gut, dann sehe ich dich morgen um zehn im Center?«
Sie nickte. Dann fiel ihr ein, dass sie ja nicht nur zum Tauchen hergekommen war, und sie hielt ihn kurz am Arm fest.
»Warte eine Sekunde. Mitch hat mir erzählt, dass du alles über die Yongala weißt. Könntest du mir bei Gelegenheit vielleicht etwas darüber erzählen?«
»Ja, klar. Jetzt habe ich allerdings einen Kurs.« Er schaute auf seine Tauchuhr. »Wie wär’s so gegen sechs im Pub?«
Natascha lächelte. »Passt mir sehr gut.«
Die untergehende Sonne versprühte ihr Orangerot am Himmel, und zum abendlichen Spektakel hatte sich die Terrasse des einzigen Pubs in der Horseshoe Bay schnell mit Gästen gefüllt. Natascha hatte noch einen Tisch ergattert und trank ein Bier. Verstohlen schaute sie auf die Uhr. Zwanzig nach sechs. Wenn Alan in zehn Minuten nicht auftauchte, würde sie gehen. Sie war schon zweimal angequatscht worden. Normalerweise machte ihr das nichts aus, aber sie war noch immer ziemlich müde. Ein Bierchen allein auf ihrer Veranda wäre da einfach entspannter.
Als sie Alan vom Strand kommen sah, hob sie den Arm, und er grüßte zurück, doch es dauerte eine Weile, ehe er ihren Tisch erreichte. Jeder Zweite hielt ihn auf und wollte ein Wort mit ihm wechseln.
»Jetzt muss ich mich schon wieder bei dir entschuldigen. Der Kompressor machte Probleme, und das konnte nicht bis morgen warten. Keine Luft, kein Tauchen.«
»Schon okay, betrifft mich ja auch. Du kennst wohl jeden hier?«
Alan nahm einen Schluck, seine Bierflasche steckte in einem Neoprenhalter.
»Magnetic Island ist ein Dorf. Da bleibt es nicht aus, dass man einander kennt.« Er nickte, als ihn jemand im Vorbeigehen grüßte, dann rückte er seinen Stuhl näher an den Tisch heran.
»Die Yongala interessiert dich also. Was möchtest du denn wissen?«
Natascha räusperte sich. »Wenn ich das so genau wüsste, wäre ich schon einen Schritt weiter. Ich muss leider ein wenig ausholen, bitte unterbrich mich einfach, wenn es dir zu lang dauert.«
Er lächelte sie aufmunternd an: »Dann leg mal los.«
Natascha erzählte ihm in Kurzform von Großmutter Maria und dem mysteriösen Fund im Nachtschränkchen ihrer Mutter. Sie berichtete davon, was sie und Mitch bislang über die Briefeschreiberin herausgefunden hatten. Dann nahm sie den Umschlag aus der Tasche.
»Dieser Brief aus dem Jahre 1958 ist der letzte, den diese Helen an meine Großmutter geschickt hatte.« Alan runzelte die Stirn. Er hatte sich schon eine Weile interessiert nach vorne gelehnt.
»Und was steht drin?«
»Nichts Genaues. Es geht um die Wirren des Lebens. Ganz allgemein um Kriege und Unwetter. An einer Stelle spricht sie von den tropischen Stürmen, die alles durcheinanderwirbeln können.«
»Und von wann sagtest du, war der Brief?«
»September 1958.«
»Da hatte man gerade die Yongala gefunden.«
Natascha nickte. »Genau. Und in Meena Creek hab ich herausgefunden, dass diese Helen sich vehement dafür eingesetzt hat, den Fundort zu schützen. In einem alten Artikel sagt sie, die Yongala sei für sie wie das Geheimnis des Lebens.«
Alan schien nachzudenken. »Deutlicher ist sie nicht geworden?«
»Nein, das ist alles, was ich finden konnte.« Natascha atmete hörbar aus. »Ich tappe im Dunkeln. Aber irgendetwas ist mit der Yongala und dieser geheimnisvollen Helen. Dabei weiß ich natürlich nicht einmal, ob das Wrack überhaupt eine Rolle für meine Suche spielt, aber ich muss den wenigen Spuren nachgehen, die ich habe.«
Alan nickte abwesend. Mit dem Finger zeichnete er die Tischkerben nach.
»Alan?«
Er fuhr hoch und schaute sie an.
»Das ist eine seltsame Geschichte, Natascha. Ich fürchte nur, ich kann dir da auch nicht weiterhelfen. Ich könnte dir die technischen Daten der Yongala runterrasseln und dir detailliert beschreiben, was jetzt noch von ihr zu sehen ist. Aber bei dem, was du da suchst, da muss ich leider passen.«
Sie war enttäuscht. Irgendwie hatte sie gehofft, dass sie von ihm etwas Neues erfahren könnte. Alan trank den Rest seines Biers aus und stand auf. »Warte hier, bin gleich wieder da.«
Natascha sah ihm nach, wie er in der Menge verschwand, und ging zur Theke, um ein zweites Bier zu ordern. Am anderen Ende der Theke sah sie Alan. Neben ihm stand Hanne, die beiden unterhielten sich mit einem Bekannten. Natascha nahm ihr Bier und ging zum Tisch zurück. Was hatte sie erwartet? Es war eine seltsame Geschichte, und so würde es wohl auch bleiben.
Palm Island, Ende
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