Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
sind doch der Profi, Journalistin bei einer Zeitung in Berlin. Da wollte ich nicht amateurhaft dazwischenfunken.«
Natascha legte lachend ihren Arm um Debras Schultern und zog sie an sich. »Bitte seien Sie nicht albern. Südaustralien ist Ihre Heimat, hier sind Sie die Expertin. Also, gehen wir. Ich hab einen Mordshunger.«
Sie ließen den Wagen stehen und nahmen die Straßenbahn zum Pier nach Glenelg, wo sie auf ein wenig Erfrischung durch eine kühle Meeresbrise hofften. Natascha versuchte, das Ende des Strandes auszumachen, doch stattdessen verlor sich ihr Blick im wolkenlosen Blau des Horizonts.
Tatsächlich war die Sommerhitze am Pier um einiges erträglicher als im nahe gelegenen Stadtzentrum. Debra empfahl ihr als Mittagessen den Pie Floater, eine lokale Pasteten-Spezialität, die auf grüner Erbsensuppe schwamm. Doch allein der Gedanke an etwas Heißes ließ in Natascha Übelkeit aufsteigen, und so saßen sie jetzt vor Caesar’s Salad und kühlem Bier. Noch bevor der Salat serviert wurde, hatte Natascha auf Debras Wunsch hin ihr Problem näher umrissen. Natascha wollte wissen, wer der unbekannte Lutheraner auf den Fotos von Palm Island war. Konnte es sein, dass er tatsächlich aus Südaustralien kam, wie Onkel Charlie vermutet hatte?
In Debra schien es zu rumoren.
»Ich muss eine Weile in Ruhe überlegen, kümmern Sie sich nicht weiter um mich.« Dann knabberte sie gedankenverloren an der Unterlippe, und als das Essen serviert wurde, stocherte sie geistesabwesend im Salat herum. Zwischendurch hob sie einmal kurz den Finger, um ein zweites Bier zu bestellen, und versank dann wieder in ihren Gedanken.
Natascha fand dieses Verhalten äußerst merkwürdig. Wahrscheinlich waren die Mitglieder der Historic Society nicht nur alt, sondern auch ganz schön verschroben.
Als der Teller vor ihr leer war, tupfte sich Debra den Mund ab und legte das Besteck ab.
»Ich weiß jetzt, wer der lutherische Besucher auf Palm Island war.«
Natascha hätte sich fast am Bier verschluckt.
»Was? Sie wissen, wer dieser Pfaffe war, der vor hundert Jahren mal eine Missionsinsel im Norden besucht hat?«
»Vor knapp hundert Jahren, und bitte sagen Sie nicht priestling, das verletzt meine Gefühle. Ich bin nämlich selbst gläubig.«
»Oh, entschuldigen Sie, ich wollte keineswegs …«
»Schon gut, schon gut.« Debra winkte ungeduldig ab, als wäre die Zeit zu kostbar, um sich mit Höflichkeiten aufzuhalten.
»Gottfried Schmitter, ja, so hieß er. Es kann kein anderer gewesen sein. Er leitete selbst eine Mission. Auf Zionshill, das ist im Barossa Valley, gar nicht weit von hier. Und er hat wohl so manchen schwarzen Mann, mit dem er nicht zurechtkam, höchstpersönlich in den Norden verfrachtet. Nach … Wie hieß noch mal gleich diese Insel, von der Sie erzählt haben?«
»Palm Island.«
»Richtig. Palm Island. Das war diese ganz spezielle Insel, wohin die Missionen ihre sogenannten Problemfälle gebracht haben. In der Hauptsache gewalttätige Männer, die man sich vom Halse schaffen wollte.«
Nataschas Gesicht verriet ihre Verblüffung. Debra zuckte mit den Schultern.
»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich mich auskenne. Die deutsche Gemeinde in Südaustralien ist eine kleine Welt, und Zionshill liegt nicht weit von Tanunda, wo ich lebe. Also hören Sie auf, sich zu wundern. Stellen Sie mir lieber Ihre Fragen.« Natascha nickte stumm. Wonach sollte sie nur fragen? Am besten, sie verschaffte sich erst mal einen Eindruck von diesem Gottfried und seinem Zionshill. Daraus würden sich dann schon Anknüpfungspunkte ergeben.
»Erzählen Sie mir einfach von ihm.« Sie kramte nach ihrem Notizbuch und zückte den Kuli. Dabei bemerkte sie Debras fragenden Blick. »Keine Sorge, unser Gespräch bleibt privat.« Sie hob den Kuli in die Luft. »Alte Berufskrankheit, ich kann mir sonst nichts merken.«
»Schade, ich dachte schon, Sie hätten es sich noch einmal überlegt mit dem Artikel. Also gut. Wo fange ich am besten an?«
Das hochfrequente Gekreische einer Fledermauskolonie, die über ihren Köpfen hinweg ihrem Futterplatz zuschwärmte, ließ Natascha hochschrecken. Wie lange hatten sie nun schon hier gesessen und über die Lutheraner gesprochen? Natascha blickte in die untergehende Sonne. Siedend heiß fiel ihr ein, dass sie sich noch gar nicht um ein Hotelzimmer gekümmert hatte. Sie schaute auf ihr Handy. Fast halb sechs. Debras Blick ruhte auf dem Meer, seit Natascha die letzten Notizen gemacht hatte. Der Kaffee vor ihr
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