Der geheimnisvolle Gentleman
tu’s nicht.‹«
Er sah sie überrascht an. Sie erwiderte seinen Blick. Er erstarrte. Das waren nicht Olivias Augen, die ihn ansahen. Das waren die Augen einer Frau, die an nichts und niemanden glaubte. Sein Schock musste ihm ins Gesicht geschrieben sein, denn sie lachte scharf auf, ein keuchendes, verbittertes Geräusch.
»›Jeder hat seine Geheimnisse, jeder hat eine Verwendung für mich, jeder hat seine Reifen, durch die ich wie ein Zirkustier hindurchspringen soll.‹« Sie schien kein Problem damit zu haben, ihre Gedanken zu Papier zu bringen. »›Doch du hattest kein Vertrauen zu mir. Und jetzt soll ich Vertrauen zu dir haben?‹«
Sie würde ihn verlassen, er verdiente es nicht anders. Selbst jetzt, mit dem ganzen Wissen, das er hatte, konnte er seine Zweifel nicht ganz ablegen.
»›Du hast einen Fehler gemacht. Ich bin es leid, dafür zu büßen. Ich habe immer nur versucht, dir zu gefallen, aber es hat dir nie gereicht. Es ist eine unmögliche Aufgabe. Offen gestanden, ich kann nicht mehr. Deshalb erzähl mir bitte nichts. Bürde mir nicht noch mehr von deinen unerfüllbaren Forderungen auf.‹«
Dane saß da, nur wenige Zentimeter von ihr entfernt, und hielt diese Unmenge an Blättern, das Spiegelbild ihres Schmerzes, in der Hand. Er und war unfähig, ihr in die Augen zu sehen. Was hatte er ihr angetan?
Er hatte sie erschöpft, hatte ihr ihre Großzügigkeit, ihr Herz und ihren Liebreiz geraubt und noch mehr verlangt. Weitere Beweise, noch mehr Gründe und die absolute Sicherheit, dass sie gut genug für ihn war. Sie war in ihrer Verzweiflung zu Marcus gegangen, und Dane hatte es ihr zum Vorwurf gemacht.
Sie hatte den Prinzregenten als Freund gewonnen, und Dane hatte das Schlimmste von ihr gedacht.
Sie hatte für ihn getan, was keine andere Frau jemals gewagt hatte, und er hatte sie der Verschwörung bezichtigt.
Sie hatte sogar versucht, den Betrüger selbst zu fassen, und er hatte sie von sich gestoßen, sie mitleidslos aufgegeben.
Ihre Eltern haben eine Beteiligung an der Verschwörung zugegeben. Sie sollte dich verführen. Du musst sie befragen.
Er schloss die Augen vor der Stimme des Zweifels, der nach wie vor in ihm lebte. Die Möglichkeit bestand, dass sie das alles getan hatte, um ihn dazu zu bringen, sich selbst aufzugeben – der Liebe wegen.
Liebe.
Er stand auf, als würde ihm ihre Nähe zu viel. »Ich will dich nicht länger stören.« War das seine Stimme, so angespannt und scharf? Er rang sich dazu durch, sie anzusehen. Ihr Kopf lag auf dem Kissen, und ihre Augen waren geschlossen, aber die Anspannung in ihrem Körper verriet ihm, dass sie nicht schlief. Sie wartete nur darauf, dass er endlich ginge.
Er fügte sich. Leise schloss er die Tür zu seiner eigenen stillen Verdammung.
Olivia sackte müde in sich zusammen, als sie hörte, wie die Tür ins Schloss fiel. Dann rollte sie sich vorsichtig auf die Seite und zog ihr Tagebuch unter der Matratze hervor.
Der Stift tat in ihren Fingern weh, sie zwang sich indes, sich auf das leere Blatt vor ihren Augen zu konzentrieren.
In der ganzen Zeit, die er in meinem Zimmer war, wollte sich ein Teil von mir in seine Arme werfen und weinend meine Ängste und meine Sehnsucht loswerden. Ich liebe ihn so …
Der Stift rutschte ihr aus der Hand. Allmählich glaubte sie, dass der Mann, in den sie sich verliebt hatte, niemals wirklich existiert hatte. Sie hatte ihn sich erträumt, hatte sich selbst
zum Narren gehalten mit ihrer Vorstellung von einem edlen Lord alter Schule, einem Mann, der sie bis an sein Lebensende lieben und ehren würde, einem Mann, der ihr niemals wehtun würde.
Was für ein lächerlicher Gedanke! Die Welt war voller Schmerz. Es gab keine Liebe, die ewig hielt.
Sie war ein dummes Kind gewesen. Dumme Kinder glaubten an Märchen. Olivia begann, ein Gefühl für die harte, nüchterne Realität zu entwickeln, die ihre unausgegorenen Träume in Stärke und Entschlossenheit verwandelte.
Mit einem lauten Knall klappte sie das Tagebuch zu und warf es quer durch ihr Schlafzimmer, wobei die Seiten nur so flatterten. Sie verfehlte den Kamin, aber das Buch schlug heftig auf dem Kaminsims auf und fiel dann zu Boden, wodurch es aus ihrem Blickfeld verschwand.
Ich bin nicht machtlos. Ich bin keine Prinzessin, die in einem Turm gefangen gehalten wird. Ich bin Lady Greenleigh.
Plötzlich ging die Tür auf, und der Doktor trat ein. Er hielt seine Instrumententasche in den Händen.
Dane hatte den Brandy mitgenommen.
Dane
Weitere Kostenlose Bücher