Der geheimnisvolle Gentleman
hatte. Ich kenne da eine wundervolle Sopranistin.«
Der Mann verspürte eine gewisse Aufregung. Das alles kam ihm sehr zupass. »Nein, Madam«, unterbrach er sie galant. »Meine Herrin will Eure Hilfe nicht zurückweisen. In Wahrheit wünscht meine Herrin, dass Ihr etwas viel Außergewöhnlicheres für sie findet.« Das würde nun endlich zum Erfolg führen!
Mrs Blythes Augen verengten sich. »Oh. Ich verstehe. Ich hatte mich schon gefragt, warum sie ausgerechnet zu mir gekommen ist.« Sie schnaubte ungeduldig. »Sie hat es nicht über sich gebracht, es selbst auszusprechen, nicht wahr?«
Der Mann nickte mitleidig. »Sie ist neu in ihrer Position, Madam. Ich bin mir sicher, sie hat sich einfach nicht getraut.«
»Damen!« Mrs Blythe schüttelte den Kopf. »Dann will sie also eine ganz bestimmte Party, ja?«
»Jawohl. Sie will als Gastgeberin stadtbekannt werden.«
»Sagt Ihr, dass ich genau das Richtige an Unterhaltung für sie habe. Schließlich mache ich ja nichts anderes.«
Der Mann nickte. »Sehr wohl.«
Perfekt.
Auf dem Heimweg in der Kutsche und während des Tees konnte Olivia an nichts anderes denken als an Mrs Blythes Rat. Sie nahm kaum die aufgeregte Geschäftigkeit des ganzen
Haushalts wahr, der sich auf die Abreise in zwei Tagen vorbereitete.
Mrs Huff wirbelte wie ein Derwisch durchs Haus, ordnete dieses und jenes an und schickte sogar Anweisungen per Eilboten an das Personal in Schottland. Offenbar war das Haus dort seit zwei Jahren nicht mehr genutzt worden. Selbstverständlich gab es Personal, das in Kirkall Hall lebte und sich um das Haus kümmerte, doch ganz offensichtlich vertraute Mrs Huff niemandem außer sich selbst, wenn es um die Vorbereitungen für eine so große Anzahl Gäste ging.
Olivia überließ alles ihr, denn die Hausdame hatte nicht eine einzige von ihren Anregungen aufgegriffen, und zog sich in das Zimmer zurück, das sie inzwischen im Stillen als ihren »Morgensalon« bezeichnete. Der Raum war nicht sehr groß und in freundlicheren Farben gehalten als der Rest des Hauses, der durch die blasse Farbgebung sehr elegant wirkte.
Der Butler klopfte zweimal an und öffnete die Tür. »Es ist ein Päckchen für Euch angekommen, Mylady. Von einer gewissen ›Mrs B.‹.«
Olivia schreckte auf. Sie drehte sich von ihm weg, um zu verhindern, dass er bemerkte, wie ihr das Blut in den Kopf geschossen war. »Oh, ja. Vielen Dank, Kinsworth.« Um Himmels willen, war das etwa ihre Stimme? So hoch und nervös? Sie räusperte sich und bemühte sich um einen lässigen Tonfall. »Bitte stellt es in mein Zimmer.«
Sie zwang sich, etwas zu warten, ja sie versuchte sogar, die Menüfolge für die nächsten Tage mit der Köchin, Mrs Arnold, zu besprechen. Vielmehr hörte sie zu, während Mrs Arnold ihr mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, verkündete, was sie in den kommenden Tagen zu essen bekommen würde. Abschließend nickte sie, was offenbar ihrer Rolle in diesem Haushalt entsprach: dem zuzustimmen, was die Dienerschaft zu tun beabsichtigte. Endlich flüchtete sie nach oben und gab vor, sich fürs Abendessen umziehen zu wollen. Geschafft!
Auf einem Beistelltischchen in ihrem Zimmer stand ein in Papier eingeschlagenes Päckchen von der Größe eines kleinen Handkoffers. Olivia schaute sich nach Petty um, aber das Mädchen war nirgendwo zu sehen und würde sich wohl auch nicht blicken lassen, es sei denn, Olivia rief nach ihr. Und selbst in diesem Fall würde es noch einige Minuten dauern, bevor das Mädchen erschien. Sicher, dass sie niemand stören würde, riss Olivia das Papier von ihrem Geschenk.
Es war eine Art Kästchen, das aussah wie ein auf der Seite liegendes kleines Fass. Es war dunkel gebeizt und mit zahlreichen Schnitzereien verziert, die exotisches Obst darstellten – zumindest sah es so aus wie Granatäpfel und Bananen.
Auf der Vorderseite waren zwei goldene Verschlüsse. Nachdem sie eine Weile daran herumgefummelt hatte, hatte Olivia endlich den Trick heraus und öffnete das Kästchen mit einem satten Klicken.
Es klappte auf, öffnete sich vor ihr wie ein zusammengerollter Teppich. »Oh, wie clever.« Was ein Kästchen gewesen war, war jetzt ein flaches Tablett aus Fächern, die miteinander verbunden waren. In jedem der fünf mit Seide ausgeschlagenen Fächer lag ein Gegenstand, der ebenfalls in passende, goldfarbene Seide eingewickelt war. Sie knabberte an ihrer Unterlippe und griff nach dem ersten.
Mrs Blythe hatte ihr gesagt, was sie ihr schicken
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