Der geheimnisvolle Gentleman
Eure Kosmetika gefunden, Mylady?«
Glücklicherweise war Petty zu sehr damit beschäftigt, Sumner einfältig anzulächeln, als dass sie die Ungereimtheit in Olivias Geschichte bemerkt hätte. »Ähm, nein. Bitte sieh in den anderen Zimmern nach, Sumner.«
Er blinzelte sie an. »In allen?«
Sie biss sich auf die Innenseite ihrer Wange, um nicht die Beherrschung zu verlieren. »Du kannst aufhören zu suchen, wenn du sie gefunden hast. In Ordnung?«
Er eilte davon. Olivia wurde wieder von ihrer inneren Panik ergriffen. Die Kiste war verschlossen. Niemand würde hineinsehen. Sumner war auf der Suche.
Alles würde gut werden, und sie würde Dane nicht sagen müssen, dass eine Kiste voller antiker Penisse aus Elfenbein irgendwo in Kirkall Hall verloren gegangen war.
Endlich konnte Dane sich zurückziehen und Mrs Huff und Kinsworth und seine Angestellten tun lassen, wofür sie bezahlt wurden. Sich um alles zu kümmern, hatte ihn für einige Stunden davor bewahrt, mit Olivia oder Marcus sprechen zu müssen. Inzwischen war es spät, und es war sehr wahrscheinlich, dass er vor morgen früh mit niemandem mehr reden musste.
Dann würden die Gäste ankommen, und alle würden sich früh auf ihre Zimmer begeben, um sich auf den abendlichen Jagdball vorzubereiten.
Dane fiel plötzlich ein, dass er immer noch keine Ahnung hatte, welche Art von Unterhaltung Olivia vorgesehen hatte. Dann entschied er, dass es nicht wirklich darauf ankam. Jede Gesellschaft, die von dem Prinzregenten besucht wurde, wurde ganz schnell zu dessen alleiniger Angelegenheit. Er tendierte dazu, alle in seinen Bann zu ziehen, und alle taten es ihm nach, sei es nun, zu trinken, zu essen oder zu flirten.
Dane betrat ein Schlafzimmer und blieb direkt hinter der Tür stehen. Der Raum war kalt und unbeleuchtet, die Möbel waren mit großen Tüchern vor dem Staub geschützt. Es war sein altes Zimmer, dasjenige, das er benutzt hatte, seit er sein Kinderzimmer verlassen hatte.
Jetzt war er der Herr von Kirkall Hall.
Er drehte sich um und verließ das stille Zimmer. Das Herrenschlafzimmer lag in einem anderen Trakt. Als Dane das ehemalige Zimmer seines Vaters gefunden hatte, blickte er kurz auf die Tür daneben. Dort war Olivia untergebracht worden.
Zweifelsohne war sie sehr erschöpft von ihrem anstrengenden Tag mit Marcus.
Es war kindisch von ihm. Er selbst hatte Marcus gebeten, mit ihr zu fahren. Aber Marcus hatte ganz und gar nicht den Eindruck gemacht, als würde er nicht gerne aushelfen.
Dane schüttelte den Gedanken ab. Er war schon zu lange der Löwe. Überall vermeinte er, eine Verschwörung zu entdecken.
Er betrat das Herrenzimmer. Ein gemütliches Feuer im Kamin spendete Licht und Wärme. Die Sachen seines Vaters waren vollständig verschwunden. Es war nichts weiter als ein Zimmer.
Das Studierzimmer jedoch würde ein echtes Problem werden. Er glaubte nicht, dass er hineingehen könnte, ohne seinen Vater vor sich liegen zu sehen, verloren und leblos, mit der noch rauchenden Pistole in der Hand.
Dann würde er es eben nicht nutzen. Er würde es absperren lassen und ein anderes nehmen. Ein Studierzimmer war doch nichts weiter als ein Raum mit einem Schreibtisch darin.
Er ging zu seinem Toilettentisch hinüber und riss sich mit schnellen, heftigen Bewegungen das Tuch vom Hals. Wo zum Teufel steckte Proffit?
Er zog sich selbst bis auf die Hose aus und warf sich einen Morgenmantel über. Er wollte etwas Brot und Käse und Tee. Niemand war auf dem Flur. Weit und breit war kein Dienstbote zu sehen.
Dane hatte plötzlich das seltsame Gefühl, im falschen Haus zu sein. Lächerlich. Er schüttelte den Gedanken ab. »Proffit!«, brüllte er den verwaisten Flur hinunter.
Hinter ihm öffnete sich eine Tür. »Sie sind alle beschäftigt.«
Er drehte sich um und sah Olivia in der Tür zu ihrem Zimmer stehen. Sie trug ihren Morgenmantel. »Womit beschäftigt, wenn ich fragen darf?«
Sie blickte zu Boden. »Mit der Suche nach den Stäben des Maharadschas«, murmelte sie.
Suche? Dane spürte ein Pochen in den Schläfen. »Du hast die Stäbe des Maharadschas verloren? Hier? Irgendwo in diesem Haus?« Im Haus seines Vaters. Elfenbeinerne Penisse, die herumlagen, wo jeder sie finden könnte.
Er wurde selten laut. »Hast du eine Ahnung, von welchem Kaliber die Gäste sind, die wir morgen erwarten?«
»Wie könnte ich?«, fragte sie aufgebracht. »Vierzig Gäste – das kann so gut wie jeder sein!«
»Glaub mir, dass es sich um vierzig mächtige,
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