Der geheimnisvolle Kreis (German Edition)
nehmen, um ihren Enkel zu suchen.
Die Hexe ritt auf die Mühle zu und gluckste. Bald würde sie den Jungen mitnehmen.
Sie schaute sich um, stieg vom Esel ab und humpelte auf die Türe zu. Sie klopfte energisch an.
„Herein!“ ertönte es von innen.
Sie öffnete die schwere Türe und trat ein.
„Was kann ich für sie tun, alte Dame?“
„Ich suche Martin. Es ist mein Enkel. Seine Mutter ist schwer krank. Ich soll ihn nach Hause bringen.
„Er ist nicht hier. Er ist gerade in der Stadt. Er kommt erst heute Abend wieder.“
„Was?!“ schrie die Hexe unbeherrscht. Als sie die Reaktion des Müllers sah, korrigierte sie sich und sagte, dass sie durch die schwierige Situation sehr angespannt sei.
„Kommen Sie, ich bring Sie zu meiner Frau. Dort können Sie sich ausruhen und was essen, bis Martin wieder kommt. So lange ist es ja nicht mehr. Sie können ja dann morgen gemeinsam nach Hause reiten.“ bot der Müller freundlich an.
Ach wie widerlich freundlich die Menschen sein können, dachte die Hexe bei sich. Da kriegt man fast ein schlechtes Gewissen, wenn man ihnen was zuleide tut.
„Erna, wir haben einen Gast. Die Großmutter von Klaus. Sie muss ihn mitnehmen, seine Mutter ist schwer krank. Gib ihr was zu essen. Sie soll hier auf ihn warten.“
„Zu freundlich von Ihnen. Ich danke ihnen vielmals.“ Diese Worte blieben der Hexe beinahe im Hals stecken.
„Gerne, und ich kümmere mich um Ihren Esel.“
„Nein, bloß nicht. Ähm, nicht nötig. Er braucht nichts.“
„Das verhungerte Tier bringt sie sicherlich nirgends mehr hin. Der sieht ja furchtbar aus.“
Hast du eine Ahnung, wie furchtbar der noch aussehen kann, dachte die Hexe und kicherte.
„So bitte schön. Hier haben Sie einen warmen Tee und Gebäck. Essen Sie sich satt.“ sagte Erna liebevoll. Sie war eine gute Gastgeberin und eine noch bessere Bäckerin.
Der Müller ging auf den Esel zu und streichelte ihn am Kopf. Dieser fauchte los und bäumte sich auf. Funken sprangen ihm aus den Augen. Der Müller wich erschrocken zurück und traute seinen Augen nicht. Der Esel fletschte die Zähne und wollte den Müller beißen. Nur gut, dass er am Zaun angebunden war.
„Himmel noch eins, was ist das?“ schrie der Müller erschrocken und bekreuzigte sich.
„Mir ist, als ob mich der Teufel höchstpersönlich angeschaut hatte. Was bist du für ein schreckliches Tier?“
Er warf dem Tier von weitem eine Scheibe Heu hin. Das Tier roch misstrauisch daran und aß es. Es beobachtete den Müller genau und bedauerte, dass es ihn nicht erwischt hatte.
Die Hexe schmatzte dagegen unverschämt vor sich hin und aß einen ganzen Kuchen auf. Erna traute ihren Augen nicht und wunderte sich sehr über die hagere Dame. Wie konnte so eine zierliche Person so viel essen? Sie musste tagelange nichts mehr gegessen haben. Aber ihr Benehmen war fast schon unverschämt.
„Ich habe tagelang nichts mehr gegessen. Ich habe nur nach Martin gesucht.“ gab die Hexe schmatzend von sich. Sie hatte natürlich gehört, was die Müllerin dachte und verzieh ihr, dass sie sie als unverschämt bezeichnete, aber nur, weil sie so gut gebacken hatte.
Der Müller starrte den Esel aus entsprechendem Sicherheitsabstand an. Das war kein normaler Esel. Vielleicht hatte er Tollwut?
Es wurde langsam dunkel. Von weiten konnte man den Wagen von Martin hören. Der Müller ging ihm ein Stück entgegen, um ihn schon mal auf die Nachricht vorbereiten zu können.
„Martin, schön, dass du da bist. Wie war es in der Stadt? Hast du alles bekommen?“
„Ja, der ganze Wagen ist voll.“
„Martin, ich habe eine schlechte Nachricht für dich. Deine Großmutter ist hier, um dich nach Hause zu holen. Deiner Mutter geht es sehr schlecht. Du musst gleich morgen früh mit ihr abreisen.“
„Wer ist hier?“
„Deine Großmutter. Es tut mir leid. Aber..“
„Ich habe keine Großmutter. Das muss ein Irrtum sein. Ich weiß nicht, was das soll. Oder doch!“ sagte Martin erschrocken und wurde ganz bleich.
„Ich verstehe nicht ganz, Martin. Das musst du mir erklären.“ sagte der Müller erstaunt.
Martin erzählte ihm von der Geschichte, dass er verkauft wurde. Verkauft von der eigenen Mutter. Und bei dieser Frau konnte es sich nur um diese Frau handeln, die ihn abholen sollte. Aber warum war es gerade eine alte Dame? Sehr seltsam.
„Willst du mit ihr sprechen? Vielleicht klärt sich ja alles.“
„Weiß nicht. Mir wäre lieber, du würdest sagen, dass ich nicht zurückgekommen
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