Der Geheimtip
das konnte nicht nur die Nässe sein.
Der Lastwagen begann langsam im Rückwärtsgang anzufahren. Egon tat es ihm nach. Er schloß mit allem ab, doch siehe da: es klappte.
Allerdings bekam er auf diese Weise noch einmal einen Schwung frisches Gebirgswasser in den Nacken. Aber er kriegte die Kurven. An einem leicht verbreiterten Straßenstück hielt der Laster an. Auch Egon parkte sachte dort ein.
Der Bus fuhr elegant vorbei. Die Leute winkten und jubelten, ja, sie brachten Egon regelrecht Ovationen dar. Er winkte zurück und war stolzer als nach seinen gelungensten Abrechnungen bei ›Schraufa‹.
Gleich hinter dem Bus fuhr, sozusagen in dessen Windschatten, noch ein Kleinbus. Und darin saß Silva! Nein, nein, es war keine Fata Morgana. Auch nicht die Ausgeburt seines von den Strapazen überanstrengten Gehirns.
Es war Silva! Vorn neben dem Fahrer! Sie erkannte ihn und winkte heftig, warf ihm sogar Kußhändchen zu.
Egon erhob sich klatschnaß in seinem Panda, wie ein Astronaut, der auf der 5th Avenue die Konfettiparade zu seinen Ehren abnimmt. Er warf die Arme hoch und rief: »Silva!« und »Warte auf mich!« Und dann war sie vorbei. Die Briten in dem kleinen Bus winkten ihm noch freundlich zu, bis alles wie ein Spuk um die nächste Kurve entschwunden war.
Egon raufte sich die unfreiwillig frisch gewaschenen Haare. Aber wenden konnte er nicht. So fuhr er schicksalsergeben weiter, immer mit dem Brummi im Nacken, bis er zum westlichsten Zipfel der Insel kam. Nach Porto Moniz, wo Busse parkten und Heere von Touristen sich in zwei Lokale ergossen. Dort gab es Spaghetti oder Fisch und tüchtig Wein. Alle konnten ihr Herzklopfen nach der aufregenden Steilküstenfahrt etwas beruhigen. Einige zwitscherten sich im Hinblick auf die unvermeidliche Rückfahrt auch einen an.
An einem Tisch sangen fünf Männer von der Lorelei und daß sie nicht wußten, »was soll es bedeuten, daß ich so trauhaurig bin …«
Egon beschloß, Silva umgehend zu folgen. Es gab ja nur diese eine Straße nach Porto Moniz.
Er hatte weder Augen für die bizarren Felsen noch für die Farben des Wassers und der Steine zwischen Türkis und Blau. Ihn interessierten nicht die riesigen Meerwasserschwimmbecken, und selbst die Katzen, die sich in der Sonne rekelten, ließen ihn kalt.
Dann merkte er jedoch, daß seine Knie zitterten und seine Hände auch. Sein Herz raste, und die Nässe auf seinen Schultern und dem Rücken war nicht nur Wasser, sondern Angstschweiß. Was hatte sein Opa immer gesagt: »Die Aufregung kommt immer erst danach!«
So war es. Bei dem Gedanken, daß er wieder zurückfahren mußte, verlor er fast die Nerven. Sogar seine Sehnsucht nach Silva verblaßte um einiges. Wer verbürgte sich dafür, daß er nicht plötzlich wieder eingeklemmt war zwischen zwei Straßenungetümen, die hü oder hott wollten, aber keinesfalls in dieselbe Richtung?
Es mußte sein. Er bestellte einen Kaffee, der nach einer unendlich langen Zeit gebracht wurde. Er gab ein viel zu hohes Trinkgeld und entrichtete auch der Gruppe von stilecht kostümierten Gitarrenspielern, die zwischen den Tischen umhergingen, noch seinen Obolus, kletterte ins Auto und begab sich auf die Rückreise. Er sollte nie erfahren, ob der Kaffee nicht in Ordnung gewesen war oder ob es an der überstandenen und noch nicht beendeten Aufregung eines Flachländers im bergigen Gefahrengebiet lag. Jedenfalls wurde ihm übel. Sehr übel. Kotz- und speiübel.
Ich muß raus, dachte Egon Meier.
An dieser traumhaft schönen Nordküste in Richtung Osten fahrend, hinter Ribero Frio, beschloß er, etwas abzukürzen. Er nahm die nächste Abzweigung ins Landesinnere. An einer besonders idyllischen und einsamen Stelle parkte er, stieg aus, ließ sich in dürres Gras sinken und schlief ein.
Egon erwachte, als der Tag sich mit einem rauschenden Farbenspiel verabschiedete. Die Dämmerung war kurz. Die Dunkelheit setzte fast unvermittelt ein. Egon bestieg eilig seinen Panda und gab Gas.
Aber irgend etwas schien nicht zu stimmen. Die Straße wurde immer unwegsamer. Ja, es war eigentlich nur noch ein Sandweg, auf dem er sich in ziemlich dünner Luft fortbewegte.
Irgendwann kam der Augenblick der Wahrheit. Egon gestand sich ein, daß er sich verfahren hatte und daß in der Dunkelheit wohl wenig Aussicht darauf bestand, die richtige Straße nach Funchal noch zu erwischen.
Nun war ihm wirklich alles egal. Nach dem kurzen und erholsamen Schlaf hatten sich seine Nerven beruhigt. Der Magen fühlte sich
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