Der Geheimtip
setzte ihre verläßlichste Miene auf. »Gestern hatte ich unterwegs Gelegenheit, mit unserem jetzt verschwundenen Gast zu sprechen.«
»Wie denn das?« riefen Manager und Chefkellner wie aus einem Munde.
»Ich war mit den britischen Herrschaften auf Nordtour, wie Sie wahrscheinlich wissen. An einer breiteren Stelle parkte der Mietwagen des Herrn, um uns vorbeizulassen. Ich erkannte ihn gleich, und er schien mich auch wiederzuerkennen. Wir wechselten ein paar Worte miteinander. Er sah etwas blaß aus, das ist wahr. Aber die meisten Touristen werden ja blaß, wenn sie das erstemal an der Steilküste entlangfahren. Weil die Straße in der Tat eigentlich zu schmal ist. Darüber sollte unsere Regierung, vor allem mein Vater, einmal gründlich nachdenken …«
»Sicher eine gute Anregung«, erklärte der Manager nervös. »Aber jetzt sollten wir zur Sache kommen. Sie wollten sicher berichten, was Sie bei diesem Gespräch erfahren haben und wie Ihr Plan aussieht?!«
Das war das Schlimme bei den Frauen. Sie schweiften ab, vergaßen das Wesentliche, verzettelten sich total und wußten schließlich gar nicht mehr, was sie eigentlich hatten sagen wollen. Seine Gattin war genauso.
In Silvas Fall hatte er sich jedoch getäuscht. Nach der kleinen Abschweifung, die ihr nur unterlaufen war, weil sie ihrem Groll gegen Papa stets und überall Luft machen mußte, kam sie zur Sache.
»Der Herr plante einen Abstecher in die Berge. Er machte da ein paar Andeutungen, die mir im Moment nicht zu denken gaben. Doch jetzt kann ich mir da etwas zusammenreimen. Ich weiß, wie er gefahren ist. Wahrscheinlich sitzt er fest. Wie Sie wissen, kenne ich die Berge wie mein Handtäschchen. Ich mußte mit meinem Papa, der begeisterter Bergsteiger ist, schon als Kind dort herumkraxeln.«
»Wir werden Ihnen aber auf alle Fälle jemanden zur Begleitung mitgeben«, versuchte der Manager zu entscheiden.
Das hatte Silva gerade noch gefehlt. Ein Zeuge würde ihren privaten Plan durchkreuzen. Das durfte nicht sein. Deshalb lächelte sie sanft und sagte:
»Wir müssen eins bedenken: Er wird sehr nervös sein. Schließlich hat er sich festgefahren. Wenn da eine schwache Frau kommt und ein paar Ratschläge gibt, ist das nicht allzu schlimm. Aber männliche Zeugen seines Mißgeschicks könnten dem Herrn ausgesprochen unwillkommen sein. Wer läßt sich schon gern bei einem Fehler ertappen? Wirklich gefährlich ist es ja nicht, also wird er auch keine Angst haben, sondern eher wütend auf sich selber und seine Ungeschicklichkeit sein.«
»Das ist wahr«, mußte der Oberkellner zugeben. Damit sah er seine Felle davonschwimmen. Wieder nichts mit Suchtrupp und strategischer Planung.
»Es wird ganz zufällig aussehen, wenn ich ihn finde«, spann Silva ihr Garn. »Ich könnte mich doch ebenfalls verfahren haben. Und daß ich ihn finden werde, dessen bin ich mir ganz sicher. Vertrauen Sie mir.«
»Also gut.« Der Manager nickte erleichtert. Sicher war es so das beste. Es gab kein Aufsehen, keine Zeitungsmeldungen über verschwundene Gäste im ›Reid's‹. Das hätte ihm gerade noch gefehlt, überlegte der Manager. Wo er eine internationale Anzeigenkampagne laufen hatte: ›Paradiesische Entspannung in einem First-Class-Hotel mit Spitzenkomfort und Stunden der Muße im schönsten Park der Insel Madeira‹.
Aber der Oberkellner gab noch nicht völlig auf. Er hatte sogar mit dem Gedanken an einen Orden gespielt. Und nun wollte diese kleine Kröte den ganzen Ruhm allein kassieren.
»Ich werde Sie begleiten und mich ganz im Hintergrund halten«, bot er an. »Ohne männlichen Schutz sollten Sie nicht in die nächtlichen Berge fahren.«
»Ich fahre allein«, sagte Silva fest. »Wie ich schon sagte, kenne ich jeden Weg und Steg von Kind auf. Und Sie nicht!« Damit spielte sie auf die peinliche Tatsache an, daß der Chefkellner vom Festland stammte, also gar kein echter Madeiraner war; noch dazu stammte er aus der flachsten Gegend Portugals. Und wirklich war er noch nie im Norden der Insel gewesen. Das durfte natürlich nie jemand erfahren.
Silva startete also umgehend ihr weißes Sportcabriolet, das ihr Vater ihr zum 20. Geburtstag geschenkt hatte, und fuhr mit aufgeblendeten Scheinwerfern in die Berge, zum Encumeada-Paß.
Etwas bang war ihr doch zumute. Nicht der Nacht oder der Berge wegen, sondern weil ihr allmählich klar wurde, daß es doch recht vermessen war, hier einen Mann mit einem kleinen Auto finden zu wollen. Und sie hatte doch keine Ahnung, wo er
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