Der Geheimtip
weiteres einen Wagen mieten, und ich kann Ihnen auch eine Karte mit dieser Route mitgeben, mein Herr.«
Egon wollte schon den Kopf schütteln. Er war an Entsagung so sehr gewöhnt. Aber dann durchfuhr es ihn: Warum eigentlich nicht?!
Also nickte er und hörte sich sagen:
»Eine gute Idee. Ich habe schon viel über die Vielfalt dieser Landschaft gehört!«
Der Herr schaute aus dem Fenster und erklärte: »Und das Wetter ist prächtig! Wie geschaffen für diese Tour! Im Moment regnet es zwar ein bißchen, doch es wird bald aufklaren. Auch Miß Silva war davon überzeugt!« setzte er als guter Menschenkenner hinzu. Denn daß dieser Deutsche an Silva interessiert war, sah doch ein Blinder.
Also mietete Egon Meier sich einen kleinen schwarzen Panda. Als er sich vom kostümierten Portier aus der Tür hatte drehen lassen und den Vorplatz betrat, regnete es in Strömen. Der Panda war noch nicht vorgefahren. Egon schlug den Weg hinter das Hotel ein. Dort war ein großer, schöner Park.
Die Palmenwedel wogten im Wind, der schon beinahe ein Sturm war. Sogar im Swimmingpool erzeugte er eine kleine Brandung. Zwei Männer waren dabei, mit riesigen Staubsaugern Blätter und Blüten von der Wasseroberfläche zu saugen. Beide hatten tragisch umwölkte Mienen wie Mitwirkende einer dramatischen Liebhaberaufführung. Sie trugen Badehosen, hatten aber große schwarze Schirme in den freien Händen. Offenbar waren sie der Meinung, daß eine Sorte Wasser genügte.
Inzwischen war sein Panda vorgefahren. Ein niedliches Wägelchen, das sich, wie Egon bald feststellte, auch leicht und angenehm fuhr. Nachdem er seine Landkarte studiert hatte, setzte sich Egon auf die Fährte seiner angebeteten Silva. Jawohl, angebeteten Silva!
Ein ganz neues Gefühl hatte sich in Egons Brust eingeschlichen. Er wußte plötzlich, daß er verliebt war, und er war noch nie vorher wirklich verliebt gewesen!
Während er auf der Straße nach Camara de Lobos fuhr, dachte er an Silvas Kuß, und es rann wieder dieser Schauer durch seine Glieder.
Die Straße wurde steiler und lief gefährlich dicht an einem Abhang am Meer vorbei. Einzelne Steine begrenzten die Straße, und es war eigentlich ein bißchen gruselig, daß manche umgefahren waren. Jeder mußte auf den Gedanken kommen, daß durch die Lücke ein unaufmerksamer Autofahrer den Weg ohne Wiederkehr angetreten hatte.
Aber Egon kümmerte das gar nicht. Ganz im Gegenteil!
Entgegen seiner sonstigen schüchternen Natur empfand er jetzt ein Gefühl von Freiheit, Glück und Weite.
Am Aussichtspunkt von Cabo Girão parkte er und stieg aus. Er blickte mit etwa fünfzig anderen Touristen gemeinsam auf das Meer hinaus. Tief unten brandeten die Wellen. Sie schienen zu dampfen und schäumten, als hätte ein Riese Waschpulver in einen Bottich für Riesen-Großfamilien geschüttet.
Lange hielt es Egon aber nicht an dieser Stelle. Er bedauerte zwar, daß er keinen Fotoapparat bei sich hatte – wie alle anderen –, doch dieses Bild würde sich ihm auch so einprägen.
Wenn ich jemals wieder glücklich nach Aberlingen kommen sollte, werde ich mich dort oft an diesen majestätischen Ausblick erinnern, nahm er sich vor. Doch sogleich rutschte sein Herz wieder ein Stückchen tiefer. Würde er denn jemals zurückkehren können?
Er gab sich einen Ruck. Wenn er Silva einholen wollte, mußte er sich beeilen. Schnell warf er noch einen Blick auf seine Karte. Dann schloß er sich dem allgemeinen Autotroß an.
Das Dorf Ribeira Brava sah schön und urig aus, doch Egon ließ es bei einem flüchtigen Blick auf die Hallenkirche mit ihren drei Schiffen bewenden, obwohl er sie gern besichtigt hätte, denn im Beitext auf seiner Karte stand: ›16. Jahrhundert‹.
Die Busse hielten alle. Auch einzelne Wagen parkten ein. Egon bog nach Norden ab. Jetzt hatte er die Straße fast für sich allein.
Es hatte schon seit einiger Zeit aufgehört zu regnen, und nun kam plötzlich die Sonne hervor. Er öffnete das Schiebedach seines Panda. Der Duft von Pinien und Eukalyptus brach förmlich in das Auto ein. Mimosenbäume säumten den Weg.
Überall waren in Stufen Felder angelegt, mit Kartoffeln und Tomaten. Rundum stürzten wild die Quellen von den Bergen, Wasser ringelte sich über die Straße, die anstieg und weiter anstieg, bis Egon zuweilen in Wolken verschwand.
Jetzt sah man Weinfelder und Weiden, auch Silberpappeln. Vor einigen Häuschen saßen Männer und flochten Weidengerten zu Körben. Frauen in Schwarz strickten.
Allmählich
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