Der Geheimtip
Porto Santo kommend. Er hatte einen Koffer bei sich, der mit Heroin in beträchtlichem Wert präpariert war. Wir haben ihn verhaftet. Er sitzt bereits im Untersuchungsgefängnis ein. Die Presse ist auch schon dort. Ein kapitaler Fall. Ein Beispiel des dreisten internationalen Verbrechertums!«
Silva schlug die Hände vors Gesicht und weinte haltlos.
»Es kann sein, daß er in diese Sache ohne sein Wissen verwickelt worden ist«, sagte ihr Vater milde. »Es kann aber auch sein, mein Täubchen, daß dein Egon Meier ein Rauschgiftschmuggler ist!«
»Das weiß ich, Papa«, heulte sie. »Aber ich liebe ihn!«
Und so war es. Ganz von Egons Unschuld war sie selber nicht überzeugt. Hatte er nicht manchmal gar zu treuherzig gewirkt? War das vielleicht doch nur eine Masche gewesen? Wieso war er auch so freiwillig mit Pallando abgefahren? Da stimmte doch ganz gewiß etwas nicht. Aber wie es auch war, sie liebte ihn. Es konnte und durfte einfach nicht sein, daß er ein Schuft war. Daß sie vom Regen in die Traufe, von Rino Peinto an ein internationales Rauschgiftring-Mitglied geraten war.
»Papa«, flehte sie, »hilf mir!«
Und Seine Exzellenz, Juan Perreiro dos Passos, wuchs über sich selbst hinaus. Er strich seiner Tochter über das widerspenstige, knisternde Haar.
»Das müssen wir jetzt selber in die Hände nehmen«, sagte er. »Ich telefoniere noch mit Parlango y Gosset und mit Lissabon. Wir nehmen die nächste Maschine nach Bordeaux. Persönliches Eingreifen ist unerläßlich, wenn wir Herrn Meier wirklich helfen wollen. Und das ist ja selbstverständlich, da du ihn liebst, mein Kind.«
Da seufzte Eliza, seine Gattin, daß ihr üppiger Busen bebte. Ja, das war ihr Juan, den eine Frau bewundern und lieben konnte, wenn er auch meist ein altes Ekel war. Aber es gab Momente, da wirkte er aufregender als Robert Redford. Nur nicht so hübsch. Und sie zog ihre Tochter in die Arme und flüsterte: »Alles wird gutgehen. Papa macht das schon! Und zieh dir bitte eine warme Jacke an, mein Kind. Wer weiß, wie das Wetter in Bordeaux ist! Diese nördlichen Gegenden haben im allgemeinen scheußliches Wetter. Und die größte Liebe taugt nichts, wenn man krank ist und Schnupfen hat.«
Silvas Vater reckte sich.
»Es wird sich alles aufklären«, versprach er. »Ich werde jetzt alle nötigen Schritte veranlassen. Generalstabsmäßige Planung. Das ist das Geheimnis schneller Erfolge. Bald werden sich die schwarzen von den weißen Schafen trennen lassen. Ich bin zuversichtlich, daß dein deutscher Geschäftsmann zu den weißen gehören wird, mein Kind.«
Da unterdrückte Silva auch die kleinsten Zweifel und erklärte fest: »Ganz bestimmt, Papa. Egon ist ein weißes Schaf. Ganz bestimmt!«
10
Wenn der Rhein bei Aberlingen über die Ufer getreten wäre und die ganze Anlage der ›Schraufa GmbH‹ überschwemmt hätte, wenn der Kirchturm Herrn Knulle auf den Kopf gefallen wäre, die Buttrich sich in eine Prinzessin verwandelt oder Dr. Kranzer plötzlich eine Million geerbt hätte … nichts davon konnte der Aufregung gleichkommen, die ein Telegramm aus Funchal auslöste. Es war nur kurz und lautete:
»Vertrag perfekt. Eintreffe Dienstag gegen zwölf Uhr dreißig. Egon Meier.«
Es war Freitag mittag, Pettenkamp hatte Aberlingen bereits verlassen, um seiner Frau im Urlaub auf Sylt kurz Gesellschaft zu leisten, die Firmenbesatzung bereitete sich intensiv auf ein entspanntes Wochenende vor. Auch Kranzer hatte schon gepackt und ohne Silvia Buttrichs Wissen ein Hotelzimmer im Harz bestellt, wo er mit ihr zu nächtigen hoffte. Da war er natürlich noch im Glauben gewesen, Meier sei auf Madeira verschollen. Als Vertreter von Herrn Pettenkamp bekam er das Telegramm als zweiter zu Gesicht. Die erste war Silvia Buttrich. Sie stolzierte mit dem Wisch in Kranzers Büro, als hätte sie gerade den Davis-Pokal gewonnen.
In der Tat fühlte sie sich wunderbar. Selbstverständlich war Dr. Kranzer eine gute Partie, aber er war auch ein so ausgebuffter Junggeselle, daß es fast übermenschlich erschien, ihn allen Ernstes vors Standesamt zu schleppen. So pfefferte sie das Telegramm auf Kranzers Schreibtisch und eilte ins leere Krankenzimmer, wo sie einen wilden Freudentanz aufführte und mehrmals laut juchzte. Dann hatte sie sich so weit gefangen, daß sie der übrigen Belegschaft mit der Gelassenheit der perfekten Chefsekretärin ins Auge blicken konnte.
Sie traf Rüdiger Knulle auf dem Gang und konnte sich nicht verkneifen zu sagen: »Wissen Sie
Weitere Kostenlose Bücher