Der Geheimtip
die Sache aufflog. Denn erpreßte Unterschriften hatten keine Geltung. Das wußte man auch in Aberlingen.
Als er das unterschriebene Dokument Pallando überreichte und dessen Galgenvogelgrinsen sah, durchfuhr ihn wie ein Dolch der Gedanke: Jetzt hat er, was er wollte. Was ist, wenn er mich verschwinden läßt? Für die Welt bin ich doch schon tagelang verschollen. Und ganz versteckt nagte noch ein Verdacht: Sollte Silva mit ihm im Bunde sein? Hatte sie ihn nicht die ganze Zeit hingehalten? War sie nicht immer gerade verschwunden, wenn ihm Gefahr drohte: Siehe diese furchtbaren Messerstecher? Sein besoffener Auftritt als Flamencotänzer? Oder zuletzt der Gang ins Café, gerade als die Pallando-Truppe ihn abgeholt hatte?
Egon schüttelte den Kopf. Nein! Nein, nein, nein! Das war unmöglich. So sehr konnte sich das Herz nicht täuschen. Du solltest dich schämen, Egon Meier, sagte er zu sich selbst. Du verdienst dieses bezaubernde Mädchen doch gar nicht.
Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen. Das Flugzeug machte eindeutig einen Sturzflug!
»Ist was kaputt?« fragte Egon.
Aber keiner kümmerte sich um ihn. Da Pallando jedoch ganz ruhig wirkte, schien das zum Plan zu gehören.
Und so war es. Sie landeten nach kurzem Flug. Als Egon die Maschine verließ, fand er sich auf einem Inselchen wieder, das wirkte, als hätte ein Gestalter von Prospekten es eigens für ein Titelblatt anfertigen lassen. Berge im Hintergrund und ein silberner Sandstrand zu Füßen. Meer und Palmen – und keine Menschenseele.
Sie stiegen in einen Jeep um und fuhren los.
»Porto Santo«, sagte Pallando und zeigte umher, als gehöre ihm die ganze südliche Pracht.
»Wohin fahren wir?« wagte er sich zu erkundigen.
»Airrport«, sagte Kuljowitsch. »Flug nach Bordeaux geht in eine Stunde.«
Miguel Pallando fletschte die Zähne, was wohl verbindlich wirken sollte. Er fischte das ›Schraufa‹-Köfferchen aus der Plastiktüte und übergab es Egon, als seien es Throninsignien. Und was die Kostbarkeit anbelangte, konnte es den Vergleich ja aushalten. Sie hatten es mit Heroin im Wert von vierzigtausend Dollar präpariert. Hier auf Porto Santo würde nichts passieren. Da hatten sie vorgesorgt. Der große Test war in Bordeaux fällig. Da mußte er durch den Zoll. Und dann würde der Chef der neuen ›Espada-Connection‹ den Koffer begutachten und sein endgültiges ›Ja‹ geben. Hoffentlich!
Beim Regionalsekretär für Handel und Finanzen, Juan Perreiro dos Passos, herrschte gedrückte Stimmung. Seine gewichtige Gattin saß im gläsernen Wintergarten, sah hinaus auf die Stadt und weinte heftig. Der Regionalsekretär trank einen Cognac nach dem anderen, denn sein Magen war sehr empfindlich, und Aufregung schlug sich sofort auf die Nerven seines Verdauungstraktes.
Er wußte sich keinen Rat mehr und rettete sich in das einzige, was einem Mann in Fällen von Hilflosigkeit zu tun blieb: er tobte!
»Wenn ich Silva wiederfinde … wenn ich dieses Luder von Tochter in den Fingern habe …«
»Juan!!«
»Ich garantiere für nichts. Ich schicke sie zu meiner Schwester! Aufs Land kommt sie, jawohl! Hinter meterdicke Mauern! Esperanza wird ihr beibringen, wie sich ein junges Mädchen aus guter Familie zu verhalten hat!«
»Juan!!«
»Sie kann Schweine mästen und Kühe melken. Von mir aus auch umgekehrt. Heul nicht! Das ist nun deine Tochter! So ein Kind hast du großgezogen! Sie muß mit diesem Deutschen durchgegangen sein. Und mit diesem Peinto steckt sie immer noch unter einer Decke. Ich muß mich ja schämen! Als Vater und als Regionalsekretär!«
»Sie hat deinen Dickkopf, Juan!«
»Was soll das heißen? Bin ich vielleicht mit einem undurchsichtigen Deutschen durchgebrannt?!«
»Du mit deiner Strenge hast sie aus dem Haus getrieben«, erklärte die Dame des Hauses fest. Sie war meistens gefügig und ruhig, wie es sich für eine Gattin gehörte. Aber Angst hatte sie nicht vor ihrem Gemahl. Und wenn es sein mußte, wurde sie zur Löwin.
»Sie lief im Hafenbecken Wasserski!« brüllte er.
»Darum geht's doch gar nicht.«
»Sie ist oben ohne im offenen Cabriolet durch Funchal gefahren!«
»Um dich zu ärgern, mein Lieber.«
»Sie hat sich diesem Peinto an den Hals geworfen!«
»Das ist doch längst vorbei!«
»Der Kerl fliegt!«
»Das hättest du dir wohl schon früher überlegen können. Aber er war dir doch zu nützlich. Nützlicher als die Ehre deiner Tochter!«
»Eliza!!«
»Ich sage nur, wie es ist. Und jetzt machst du dir
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