Der gehetzte Amerikaner
quer
über sich und dann seitlich an der Mauer hinunter Masche um Masche
durchzuschneiden. Er brauchte dafür nur fünf Minuten, und als
er fertig war, ließ er die Drahtschere wieder in die Tasche
gleiten und stieß den Sektor, den er so ausgeschnitten hatte,
nach draußen.
Der erste Stahlträger strebte von einem Vorsprung
der Wand, der sich etwa einen Meter weiter rechts befand, nach oben.
Brady löste die Seilschlinge und reckte sich durch die
Öffnung im Maschendraht. Er konnte den Träger kaum
berühren. Schließlich holte er tief Atem, stieß sich
ab und sprang nach vorn. Einen Augenblick lang hielt ihn der
Maschendraht, und als er durchzusacken begann, konnte sich Brady mit
einem festen Griff am Träger festhalten. Kurze Zeit später
stand er auf dem kleinen Vorsprung, eingezwängt zwischen dem
Träger und der Wand.
Unten in der Halle schlug ein Tor zu.
Brady hielt den Atem an und wartete. Ein Wachtmeister trat in den
Lichtkreis und blieb vor seinem Schreibpult stehen. Er machte eine
Eintragung in sein Wachbuch und ging dann weiter auf Block A zu, der an
der entgegengesetzten Seite lag. Er stieß das Tor auf,
verschloß es wieder hinter sich und verschwand.
Jetzt verlor Brady keine Zeit mehr. Er legte die
Schlinge um den Träger und um seinen Körper und ließ
den Verschluß zuschnappen. Dann lehnte er sich weit zurück,
spannte sich in der Schlinge und begann zu klettern.
Es war nicht schwerer als irgendwelche sonstigen
Arbeiten, die er als Bauingenieur jemals geleistet hatte, redete er
sich ein. Die Brücke damals in Venezuela zum Beispiel, hoch im
Gebirge der Sierras, mit dem Sturm, der jeden Tag die Männer wie
Fliegen von den Stangen riß, war weitaus gefährlicher
gewesen. Der einzige Unterschied war, daß er damals für
seine Arbeit bezahlt wurde – sehr gut bezahlt wurde, und diesmal
nicht.
Er mußte den unbändigen Wunsch nach Lachen
unterdrücken und starrte unter sich. Der Lichtkreis war kleiner
geworden, war mehr und mehr verschwunden. Es war Brady, als ob das
Gefängnis immer weiter zurückblieb. Er atmete tief und
kletterte weiter.
Verschiedene Male mußte er seinen provisorischen
Sicherheitsgurt aushaken, wenn er an einem Querträger vorbei
mußte, aber erst als er an den Rand der eigentlichen Kuppel
selbst kam, traten ihm wirkliche Schwierigkeiten entgegen.
Die Träger besaßen jetzt eine
Krümmung und verliefen auf den letzten drei Metern nach oben ganz
dicht an der Wand entlang. Hinter ihnen waren nur noch wenige
Zentimeter Zwischenraum bis zur Wand, in dem er die Schlinge dann
höher schieben konnte. Doch daß er es nicht schaffen
würde, dieser Gedanke kam ihm nicht eine Sekunde lang in den Kopf.
Er starrte wieder von seinem Thron auf einem Querträger hinunter
in die Tiefe, auf den winzigen Lichtfleck der Zentrale, und dann
zwängte er ein Ende der Schlinge hinter den Träger und
ließ das Schloß wieder neu einschnappen. Den ersten Meter
aufwärts ging es nicht schlecht, als jedoch die Wölbung der
Kuppel begann, hing sein Körper schräg nach innen. Er
preßte seine Füße gegen den Träger und legte sein
ganzes Gewicht gegen die Schlinge. Qualvoll kroch er Zentimeter um
Zentimeter aufwärts, bis sein Körper wie ein Bogen
gewölbt war. Er wußte, daß, wenn er seinen Kopf nur
noch ein klein wenig rückwärts beugte, er das Licht direkt
unter sich erblicken könnte. Einmal glitt sein Fuß etwas
aus, und die Schlinge knackte verdächtig. Seine Eingeweide
krampften sich zusammen. Verzweifelt stemmte er seine Füße
gegen den Träger, kroch wieder mehrere Zentimeter in einem Zug
aufwärts, griff nach oben, und seine Finger tasteten über den
Rand hinaus.
Seine Hand ruderte in der Luft herum, und endlich
konnte er eine Metallkante packen. Mit einer Hand klammerte er sich
fest, hing einen Augenblick zwischen Himmel und Erde und löste mit
der anderen sorgfältig die Schlinge.
Mit der gleichen Sorgfalt legte er das Seil um seinen
Körper, damit es nicht in die Zentrale hinunterfiel. Sein
Körper begann zum Zentrum der Kuppel hin zu schwingen. Er griff
mit der anderen Hand nach oben, faßte die Metallkante fester und
zog sich mit einem Klimmzug nach oben auf den Träger. Schwer
atmend lag er dort einen Augenblick lang mit klopfendem Herzen und
zitternden Händen. Es war gerade Platz genug, daß sein
Körper gequetscht liegen konnte. Das Entlüftungsfenster
befand sich auf der anderen Seite, und vorsichtig machte er sich nach
einer Weile daran, im Bogen
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