Der Geiger: Kriminalroman (German Edition)
er sich jetzt befand.
Er trug sich in ein Anmeldeformular ein. »Siebers«, schrieb er, »Georg«, und hätte beinahe, vor lauter Übermüdung, mit Grenko unterschrieben. Er zahlte bar, und der Mann hinter der Theke verlangte weder einen Ausweis, noch betrachtete er den Eintrag. »Hundert«, sagte er und klimperte mit einem Schlüssel.
Sascha legte das Geld auf den Tisch, nahm den Schlüssel und fand sich in einem kleinen düsteren Zimmer wieder. Die hellblau geblümte Tagesdecke aus Synthetik hatte ihre besten Tage gesehen. Als er sie vom Bett zog, atmete er erleichtert auf. Die Laken waren sauber und frisch. Es gab keine Dusche, nur ein Waschbecken.
Er schrieb Reger, der sicher längst schlief, eine SMS: »Habe das Hotel wechseln müssen. Bin in Bonn.«
Dann wusch und rasierte er sich, schob den Alukoffer unter das Fußende seiner Matratze und fiel ins Bett. Wenige Minuten später schlief er tief und fest.
Schon um sieben klingelte sein Handy. Er berichtete kurz, was passiert war, und Reger wurde unruhig. »Die müssen die ganze Zeit an Ihnen dran gewesen sein, Grenko. Vielleicht wäre es doch klüger …«
»Nein!«, unterbrach Sascha ihn. »Ich bin mir sicher, dass ich den Mann abgehängt habe.«
Sie verabredeten sich für zehn Uhr auf dem Flughafen Köln/Bonn.
Reger saß in der Flughalle und las Zeitung. Die Morde an Vika F. im Holiday Inn und Carmen K. in der kleinen Pension in München waren auch heute auf der ersten Seite. Es war die Rede von rivalisierenden Banden aus dem Rotlichtmilieu. Die Pension, in der man Carmen K. gefunden hatte, war wohl einschlägig bekannt gewesen.
Als Sascha sich neben ihn setzte, reichte Reger ihm wortlos die Zeitung und betrachtete seinen jungen Mitarbeiter kummervoll.
»Grenko, wenn die in Bonn an Ihnen dran waren, dann wissen die auch, dass Sie als Simon Dörner unterwegs sind. Wenn Sie noch ein oder zwei Tage warten, besorge ich neue Papiere.«
Sascha schüttelte den Kopf, öffnete den Alukoffer und gab Reger die Nylontasche. »Darin sind alle Unterlagen in Kopie. Passen Sie gut darauf auf.«
Reger zögerte. »Wäre es nicht klüger, die Originale in Sicherheit zu bringen?«
»Nein, die gebe ich nicht aus der Hand.«
»Misstrauischer Hund«, knurrte Reger.
Dann griff er in seine Sakkotasche, händigte Sascha eine Flugreservierung aus und den Reisepass, ausgestellt auf Simon Dörner und mit einem Visum versehen.
»Simon Dörner ist Programmierer in der Firma Karlsmann Games in Frankfurt. Das Unternehmen arbeitet eng mit dem russischen Unternehmen Gamma 4 zusammen, die auch ein Werk in Almaty besitzen. Das nur, falls Sie nach dem Grund Ihrer Reise gefragt werden.« Aus seiner Jackentasche zog er einen Notizzettel und Bargeld. »Auf dem Zettel finden Sie unseren Kontakt in Almaty.«
Sascha betrachtete den Zettel, auf dem der Name Irina Bukaskina und eine Telefonnummer vermerkt waren. Er fächerte das Geld auf. Es mussten ungefähr dreitausend Euro sein. »Wenn Sie mehr brauchen«, sagte Reger ganz selbstverständlich, »rufen Sie an. Ich regele das dann über die Bukaskina.«
Er erhob sich und reichte Sascha die Hand. »Ich erwarte, dass Sie jederzeit für mich zu erreichen sind. Sollten Sie in einer Woche nicht wieder an Ihrem Arbeitsplatz sitzen, betrachten Sie sich als entlassen.« Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte er sich um und verließ die Halle in Richtung Parkdecks.
Sascha sah ihm nach. Ihm war klar, dass er in Regers Unternehmen inzwischen eine wichtige Rolle spielte und viele der hochbezahlten Aufträge ohne ihn nicht erledigt werden konnten. Aber es gab andere, er war nicht unersetzlich. War er dabei, alles, was er sich in den letzten drei Jahren erarbeitet hatte, aufs Spiel zu setzen? Reger meinte, was er sagte, das hatte er oft bewiesen. Seine zweiunddreißig Mitarbeiter waren von ihm persönlich handverlesen, und er war ausgesprochen stolz auf seine Mannschaft, aber wenn jemand sich nicht an die Regeln hielt, warf er ihn gnadenlos raus.
Vor einigen Wochen hatten sie die Sicherung einer Vernissage übernommen. Der Künstler hatte Morddrohungen erhalten. Einer der langjährigen Fahrer Regers hatte den Wagen verlassen, ohne sich abzumelden. Er wollte sich im Restaurant gegenüber einen Kaffee besorgen. Er war in dieser Zeit zweimal angefunkt worden, und die Bodyguards in der Galerie meldeten an die Zentrale »Kontakt zum Wagen abgebrochen«. Innerhalb von wenigen Minuten waren zehn weitere Männer vor Ort gewesen. Als sich der Sachverhalt
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