Der Geist des Highlanders
du mir vielleicht tatsächlich dankbar sein.«
»Hättest du nicht einfach die Lippen verschließen und den Schlüssel wegwerfen können?«, fragte Victoria vorwurfsvoll.
Thomas hockte sich vor sie. »Da sind Tränen in deinen Augen. «
»Ja, verdammt, das kommt von meiner Allergie!«
Er lächelte. »Vic, er musste es erfahren.«
»Irgendwann wäre er schon selber darauf gekommen.«
»Ja, irgendwann. Aber ich habe gedacht, du möchtest vielleicht im Herbst schon heiraten.«
Sie wischte sich mit dem Ärmel über die Augen. »Wahrscheinlich ist er nach Hause zurückgekehrt.«
»Ohne sein Schwert? Schwester, wenn du das glaubst, hast du keine Ahnung von den Highlands.« Er erhob sich und zog sie ebenfalls hoch. »Na, komm. Wenn er sich mit allem abgefunden hat, kommt er schon wieder zurück.«
»Vermutlich wird er sich nie damit abfinden.«
»Dann muss er eben in sein elendes Leben zurückkehren und du in deines. Habe ich dir überhaupt schon gesagt, wie umwerfend du als Ophelia warst? Denk doch nur, wie glaubwürdig du in Zukunft in solchen Rollen Trauer und Wahnsinn darstellen kannst, wenn Connor dich einfach sitzen lässt und nach Hause zurückkehrt. An deiner Stelle wäre ich mir ewig dankbar.«
»Thomas?« »Ja?« - »Du nervst.« Lachend legte er ihr den Arm um die Schultern. »Ah, das ist Musik in meinen Ohren. Bald wird es dir wieder besser gehen.«
»Und ihm?«, murmelte sie. »Das bezweifle ich.«
Die Zweifel wurden noch stärker, als sie irgendwann am Nachmittag aus der Haustür blickte und das Schwert fort war. Sie warf Thomas einen finsteren Blick zu.
»Was meinst du: Diebstahl oder Rückkehr ins Niemandsland?«
»Geduld.«
»Die habe ich nicht.«
Sie ging wieder in die Bibliothek, um zu grübeln.
Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und machte einen Spaziergang. Eigentlich wollte sie nur bis zum Schloss, lief dann aber weiter. Die Sonne ging gerade unter, und die Luft war ganz still.
Als sie an Grannys Picknickplatz ankam, sah sie ihn. Er stand am Rand des Feenringes.
Victoria blieb stehen, drehte sich dann jedoch um und wollte sich leise davonmachen.
»Victoria?«
Sie holte tief Luft und wandte sich zu ihm. »Ja?«
»Sagt dein Bruder die Wahrheit?«
Erneut holte sie tief Luft. Sie konnte es nicht abstreiten. »Ja.«
Er sah sie an, und sie dachte bei sich, dass sie wohl auch diesen Moment nie mehr vergessen würde.
Da stand dieser stolze, gut aussehende Highlander in Kleidung, die ihm ein wenig zu klein war, hielt sein riesiges Schwert in der Hand wie ein Spazierstöckchen und blickte sie an, als läge bei ihr die Lösung aller Geheimnisse.
Und dann trat er vom Feenring weg auf sie zu.
Dicht vor ihr blieb er stehen. »Ich habe Träume«, sagte er leise. »Träume von einem anderen Leben.«
Sie nickte. »Interessant.« Er überlegte. »Möglicherweise haben sie etwas mit meinem Leben als Gespenst zu tun.«
»Das kann sein.«
Er blickte sie forschend an. »Habe ich dich in diesem Leben gekannt?«
»Ja.«
»Habe ich dich geliebt?«
Sie musste all ihren Mut zusammennehmen, um ihm darauf zu antworten. »Das hast du zumindest gesagt.«
»Habe ich dich gebeten, mir das Leben zu retten?«
Ah, das war das Problem. »Nein, du hast es mir verboten.«
Er blickte sie überrascht an, dann hellte sich sein Gesichtsausdruck auf. »Ja, das klingt nach mir.«
»Wenn es dir dann besser geht: Ich glaube, anfangs wolltest du mich sogar töten«, gestand sie ihm. »Du weißt schon, als du ein ...«
»Dich töten?«, sagte er. »Nein, sicher nicht.« Er legte sein Schwert über die Schulter und ergriff ihre Hand. »Ich muss ein Stück gehen«, sagte er. »Wenn ich mich jetzt nicht bewege, sinke ich weinend zu Boden.«
»Oh«, stieß Victoria hervor.
»Ich werde jetzt noch nicht nach Hause zurückkehren«, teilte er ihr mit. »Aber später.«
»Ja, natürlich«, erwiderte sie.
Er ging mit ihr zum Gasthaus. Vor der Eingangstür blieb er stehen. »Ich möchte ein paar Leute wegen dieser Gespenstersache befragen. Ich glaube immer noch nicht recht daran.«
»Ja, das kann ich verstehen«, erwiderte sie und nickte. »Mach eine Liste, ich werde dafür sorgen, dass du mit ihnen sprechen kannst.«
Forschend blickte er sie an. Schließlich fragte er: »Glaubst du denn daran, Victoria?«
Sie ließ sich mit ihrer Antwort Zeit. Dann sagte sie: »Ich habe es ja miterlebt. Bei mir ist es also keine Frage des Glaubens.« »Zuerst will ich mit den Männern auf dem Schloss sprechen«, meinte
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