Der Geist des Highlanders
die Treppe hinunter und durch den großen Schankraum, wobei er sein Bestes tat, um wie ein Diener zu wirken. Niemand behelligte sie, und auch Connor gelang es, durch niemanden hindurchzugehen, sodass keiner vor Schreck aufschrie.
Das war ein gutes Zeichen.
Victoria unterhielt sich kurz mit dem Gastwirt, um ihn zu fragen, wo Master Shakespeare seine Stücke aufführte. Als sie wieder zu Jennifer und Connor trat, stieß sie einen Seufzer aus.
»Das verspricht, interessant zu werden.«
»Hat er dir gesagt, wo wir hin müssen?«, fragte Jennifer.
»Ja, so ungefähr«, erwiderte Victoria. »Ich kenne die grobe Richtung, und wenn wir in der Nähe sind, müssen wir uns eben durchfragen.« Sie blickte Connor an. »Bist du bereit?«
Er legte seine Hand auf sein Schwert. »Jawohl.«
»Das ist nicht dein übliches Schwert«, stellte Victoria erstaunt fest.
»Nein, ich habe mir ein einfacheres zugelegt, eine elisabethanische Ausgabe, die zu unserem Umfeld passt.«
Sie lächelte ihn an. »Du bist sehr gut vorbereitet.«
»Das muss ein Krieger immer sein.«
»Nun, wir wollen hoffen , dass wir davon in nächster Zeit keinen Gebrauch machen müssen. Wir suchen nach Granny und sehen zu, dass wir wieder verschwinden. Ich bin auch von der Wasserqualität nicht besonders überzeugt.«
»Über manche Dinge sollte man besser nicht nachdenken«, pflichtete Jennifer ihr bei.
Die beiden Frauen verbargen ihr Haar unter Kappen, aber Connor fragte sich dennoch, wie sie als Männer durchgehen sollten.
Dazu waren sie viel zu schön.
Und er war viel zu sehr Gespenst, um ihnen wirklich von Nutzen zu sein. Die meiste Zeit verbrachte er damit, die Männer, die den beiden Schwestern mehr als nur einen flüchtigen Blick schenkten, finster anzustarren.
Wenn er andere allein durch seine Gegenwart einschüchtern konnte - und von seinen diesbezüglichen Fähigkeiten war er überzeugt, weil er das in der Vergangenheit schon oft getan hatte -, dann musste er sich eben damit zufriedengeben.
Daran, dass es einmal nicht ausreichen könnte, mochte er lieber gar nicht denken - zumal er es ja auch schon erlebt hatte. Allerdings hatte er diese Prüfung ja erfolgreich gemeistert.
Aber die Heiligen mochten ihn davor bewahren, noch einmal vor eine solche Situation gestellt zu werden.
Entschlossen schob er diese nutzlosen Grübeleien zur Seite und sah sich aufmerksam um, damit er die Schwestern unverzüglich vor Gefahren warnen konnte.
Wie schade, dass er das bei seinem eigenen Herzen nicht auch so halten konnte.
19
Victoria marschierte mit ihrer Schwester und ihrem ... nun ja, ihrem Nicht-Freund die Straße entlang und sann über die eigenartigen Wendungen des Lebens nach. Sie war umgeben von den Geräuschen und Gerüchen des elisabethanischen Londons. Seltsamerweise roch es gar nicht so anders als in manchen Teilen von Manhattan, vor allem im Hochsommer. Der Anblick jedoch war vollkommen ungewohnt. Sie kam sich vor wie auf einer Renaissance-Ausstellung, nur dass das hier die Realität war.
Und sie war mittendrin, samt einem Highlander aus dem Mittelalter.
Wie konnte sie nur etwas für einen Mann empfinden, der nicht wirklich existent war?
Es war lächerlich.
Aber wenn sie so neben ihm herging und ihm zuhörte, wie er mit ihrer Schwester auf Gälisch scherzte, kam es ihr gar nicht mehr so abwegig vor.
Ihr Vater wäre außer sich gewesen, hätte er davon gewusst. Ihre Mutter hätte zwar zugegeben, dass es wahrscheinlich Schicksal war, ihr aber trotzdem geraten, sich schon einmal mit der Tatsache abzufinden, dass sie wahrscheinlich den Verstand verloren hatte. Ihre Großmutter hätte die Augenbrauen hochgezogen, ihr aber dann vorgeschlagen, sich ein hübsches Brautkleid in einer Boutique in Manhattan zu kaufen. Thomas hätte sich kaputtgelacht. Geistesabwesend fragte sich Victoria, was wohl James MacLeod dazu sagen würde.
Eines jedoch wusste sie mit Gewissheit: Mrs Pruitt würde alles, ohne zu zögern, mit ihrer Digitalkamera aufnehmen.
»Bekommst du irgendetwas mit?«, fragte Jennifer. Victoria warf ihr einen fragenden Blick zu. »Was?«
»Von unserem Gespräch auf Gälisch.«
»Nein«, erwiderte Victoria. »Ich muss mich konzentrieren.«
»Sie ist abgelenkt«, sagte Jennifer zu Connor.
»Ich versuche zu verhindern, dass wir uns verlaufen. Wann hat dir denn zum letzten Mal jemand den Weg in biblischem Englisch erklärt?« Sie blickte ihre Schwester finster an. »Plaudert ruhig weiter und überlasst es mir, den Weg zu finden.«
»Du
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