Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
Vom Netzwerk:
Gedanke, der ihm am Abend vorher gekommen war, Allah erlege ihm Prüfungen auf, ließ ihn nicht los. Und er spürte, solch eine Menge Scheine konnten eine harte Prüfung sein.
     In seinem früheren Leben hätte Nasreddin sich nicht die geringsten Gewissensbisse gemacht, er kannte sich daher selbst nicht mehr. Einem Spitzbuben das unrechtmäßig Erworbene abzunehmen war nachgerade ein Spaß, eine Ehrensache. Man konnte es sogar dem Besitzer wiedergeben, vorausgesetzt, dieser selbst war kein Geizkragen und Halsabschneider. Man konnte sich es auch teilen mit anderen Habenichtsen oder einem, der es arg nötig brauchte, damit helfen.
    Hier aber lagen die Dinge anders. Der Besitzer der Räder war dieser tote Gegenstand, die Maschine, die irgendwo draußen auf der anderen Seite der Stadt traurig im Straßengraben stand. Freilich, die Maschine wiederum mußte jemandem gehören, und eigentlich gehörte dem auch das Geld. Ich könnte zurückkehren, dort warten, bis dieser kommt, seine Maschine zu holen. Aber wird er nicht denken, daß ich selbst diese Räder abgenommen und verkauft habe? Wie, wenn solche Räder knapp sind wie jene Medizin, die der Erstgeborene des Ali Bek benötigte? Er mußte sterben, weil sie gegen alles Geld des Vaters nicht aufzutreiben war. Denn, so schloß Nasreddin, warum sollte der Mann aus der Tschaikana von Dieben jene Rä der kaufen, wenn er sie jederzeit auch auf dem Basar erwerben konnte? Nun, vielleicht erhielt er sie auf diese Art billiger… Wie dem auch sein mochte, zu der Maschine zurückzukehren, hielt Nasreddin nicht für günstig.
     Je weiter er ging, später ritt, desto schwerer schien die Tasche, in der sich die Lederhülle befand, nach unten zu ziehen. Als er bereits unschlüssig den Esel zu noch langsamerem Trott veranlaßte, zweigte links ein Weg von der Straße ab, der zu einem Kischlak führte, dessen erste Häuser in einiger Entfernung hinter Büschen hervorlugten.
     Einer Eingebung folgend, lenkte Nasreddin den Esel dorthin. Eine Weile ritt er noch durch Baumwollfelder, in der Nähe des Dorfes wuchs dann Mais, und bald hatte der Reiter den Eindruck, daß er sich einem stattlichen Kischlak näherte. Am Rande wurden neue Häuser gebaut, so wie Nasreddin es kannte. Der Lehm, gleich neben der Baustelle ausgeschachtet, in einer dicken Lage, so stark, wie man die Mauer zu haben wünscht, mit Strohhäcksel gemischt, in großen Blöcken aufgereiht. War die erste abgetrocknet und hatte die nötige Druckfestigkeit, wurde die zweite drübergeschichtet, und so fort. Das einzige, was von dem, das Nasreddin kannte, abwich, waren die Fenster, die zur Straße hin frei gelassen wurden.
     Neben diesen Neubauten aber standen Häuser, an denen der Zahn der Zeit sich bereits gründlich versucht hatte. Aber auch sie waren umgeben von Gärten mit Granatapfelbäumen, und durch offenstehende Türen gewahrte Nasreddin mit Weinreben überspannte Höfe.
    Einen alten Mann, der an einem Stock ging, fragte er nach dem Kadi.
     Dieser sah ihn stirnrunzelnd an, wies ihn dann jedoch zu einem großen Torbogen, der ein wenig ohne Sinn einfach so dastand. Als Nasreddin den sah, mußte er kräftig lachen, worauf der alte Mann stehenblieb und zweifelnd aufsah. Zwei Kinder hatten sich dazugesellt, die nun ebenfalls neugierig auf den lachenden Eselsreiter blickten. »Habt ihr hier einen – Nasreddin?« fragte Nasreddin.
     Der Alte wiegte den Kopf. »Was soll diese Frage, Bruder? Überall findest du einen Usbeken, der Nasreddin heißt.«
     »Ich meine den – Chodscha!« Nasreddin gedachte der Unterredung mit jenem Maschinenlenker, der ihm das Geld zurückgebracht hatte. Mal sehen, ob dieser recht gehabt hat. »Ja, den«, sagte der Alte. Das Wiegendes Kopfes verstärkte sich. »Wer sollte den nicht kennen.«
    »Hast du ihn schon gesehen?«
     Wieder sah der Alte zweifelnd zu dem Reiter hoch. Die Kinder kicherten. »Du Spaßvogel. Hast du ihn gesehen?«
     Nasreddin sprang vom Esel hinab, wies theatralisch mit einer großen Geste von oben nach unten auf sich und sagte: »Hier hast du ihn leibhaftig.«
    Die Kinder lachten jetzt lauter.
     Den Alten offenbar erschütterte so leicht nichts. »Und warum fragst du, Nasreddin, ob wir hier auch einen haben? Wenn du es bist, ist das ja wohl nicht möglich.«
    »Du wirst es nicht wissen. Ich habe nahe bei Samarkand mitten auf freiem Feld ein großes Tor mit Schloß und Riegel gebaut. Darüber, sag ich dir, gab’s ein allgemeines Staunen. Und weißt du, warum ich das gemacht

Weitere Kostenlose Bücher