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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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habe? Die allerspäteste Zukunft wird die Erinnerung an dieses Tor ebenso getreu bewah ren wie die an die Siege Timurs. Während aber die Welt bei diesem Denkmal, das mich, Nasreddin, ins Gedächtnis zurückruft, lachen wird, wird das Andenken der Taten Timurs Trauer hervorrufen, von Athen bis Delhi, von Bagdad bis Chiwa. An diese Begebenheit mußte ich denken, als ich euer Tor hier erblickte. Du mußt zugeben, daß das auch komisch ist.«
     »Es ist das Tor zum Kolchos!« Der Alte sagte es mit Nachdruck und nicht ohne Stolz.
     »Und warum ist es da, wenn man links und rechts vorbeigehen kann?«
     »Aber die Straße führt hindurch, wie du siehst. Und dort oben, das ist unser Name, wenn du lesen kannst.«
    »Ein Chodscha kann lesen, du!«
     »Schon gut, schon gut – also, deshalb das Tor. Jedermann soll wissen, daß er sich im Kolchos ›Glückliches Usbekistan‹ befindet.« Der Alte warf sich in die Brust.
     Jetzt erst gewahrte Nasreddin allerlei Geschmeide am verschlissenen Chalat des Alten, bunte Bänder mit Münzen und Sternen daran, die jetzt, da er den Oberkörper reckte, sogar klimperten.
     »Da bist du wohl ein bedeutender Mann in diesem – Kolchos ›Glückliches Usbekistan‹?«
     Der Alte lächelte in falscher Bescheidenheit. »Man hat getan, was man konnte«, sagte er. »Im Krieg war ich Leutnant.«
    »In welchem Krieg?« fragte Nasreddin. »Gegen Bagdad?«
    »Bagdad, wer soll das sein? Gegen die Faschisten habe ich gekämpft. Hör mal, willst du dich über mich lustig machen?«

     Nasreddin gemahnte sich innerlich zur Vorsicht. Er spürte, daß er bereits wieder an einem Punkt angelangt war, den er nicht faßte. Faschisten, was war das schon wieder? Er erinnerte sich nicht, daß Timur jemals gegen einen Stamm der Faschisten vorgerückt war. Und er als Chodscha hätte sich schon verpflichtet gefühlt, die Taten des Timur in einem solchen Feldzug zu preisen, das erste, was man von einem Lehrer verlangen kann, den hochzuhalten, dessen Volk man erzieht… »Wo – leben diese – Faschisten?« fragte er daher zurückhaltend.
    Die Kinder lachten hellauf.
    Der Alte legte Nasreddin die Hände auf die Schultern, streckte sich und sah dem Überraschten sehr aufmerksam in Gesicht und Augen. »Bist du nicht bei Trost, Freund, hat der weise Allah dir den Verstand getrübt?«
     »D-das nicht…« Nasreddin kam ins Stottern. Schon wieder habe ich mich verleiten lassen, dachte er mit Grimm. »I-ich war lange krank, und von einem bestimmten Zeitpunkt an kann ich mich nicht mehr zurückerinnern, weißt du.«
     »Hm, hm.« Der Alte wiegte den Kopf, ließ Nasreddin jedoch los. »So etwas gibt es«, herrschte er die Kinder an, die noch immer spottend lachten. »Aber du solltest das alles wieder lernen, das ist wichtig, weißt du. Und dann vergiß es nie wieder!« setzte er väterlich hinzu.
     »Das will ich, das will ich«, beeilte sich Nasreddin zu versichern. »Sag, komme ich hier zu einem Khadi?« Und er wies, um den für ihn so unvorteilhaften Disput abzukürzen, durch das Tor in Richtung eines zweietagigen Gebäudes, das man in einer Gasse zwischen allerlei seltsamen Maschinen, unter denen Nasreddin auch blaue Elefanten erkannte, erreichen konnte.
     »Ja, dort gibt es einen Justitiar, das ist so etwas Ähnliches. Kommt darauf an, was du willst…« Am Ton war zu erkennen, daß der Alte selbst dies wohl allzugern gewußt hätte.
     »Eine Geldangelegenheit«, sagte Nasreddin wichtigtuerisch. »Ich kann sie nur mit ihm klären. Allah sei mit dir.« Er nahm seinen Esel und zog auf das Gebäude zu, entschlossen, dort die Sache mit dem Diebesgeld tatsächlich zu klären.
    Aus der Nähe erwies sich das Gebäude prächtiger als von weitem. Gleich nach den Pendeltüren nahm ihn eine kühle Halle auf, in der tiefe Sitzmöbel standen. Von der Decke hin gen funkelnde, glitzernde Gebilde, eine teppichbelegte Treppe führte nach oben.
     Von dort kamen zwei Mädchen, zwei junge Dinger, die sich immerfort etwas zutuschelten und kicherten.
     »Töchterchen, ich möchte zum Kadi«, sprach Nasreddin die eine an.
     Das pausbäckige Mädchen hielt sich die Hand vor den Mund, die andere, eine Feingesichtige, wandte sich ab. »Zum Vorsitzenden vielleicht?« fragte sie dann zurück, mühsam um Haltung ringend.
    »Ja, ja, wenn er vorsitzt, wird es wohl der Rechte sein.«
     »Gleich oben am Treppenabsatz ist das Sekretariat.« Laut lachend und sich immer wieder umwendend, verschwanden die beiden nach draußen.
     »Allah hat

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