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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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davon.
     »Zum Scheitan mit Nasdja«, brummte Nasreddin, weil er nicht wußte, was wohl diese und jener Chaibabtulajew mit ihm zu tun haben könnten. Er steuerte die Tür an, die ihm die beiden albernen Mädchen bezeichnet hatten, und trat ein.
     Vor einer Art Kiste saß eine Frau, die wie besessen mit spitzen Fingern in mehreren Reihen von Plättchen herumstocherte, diese nach unten drückte, wonach kleine Hämmer einen Bogen weißes Papier wie irr beklopften. Den Eintretenden beachtete sie nicht im geringsten.
     Eine Weile sah Nasreddin dem zu, dann wurde es ihm langsam zuviel, und eine leise Wut stieg in ihm auf. Schließlich war er im Begriff, ein gutes Werk zu tun, auch wenn diese da das alles nicht wußten, aber sie konnten vermuten, daß jeder, der da kam, ein gutes Werk verrichten wollte, und da konnte man demjenigen schon mit mehr Achtung begegnen und ihn dann strafen, wenn er einem auf die Nerven ging. Noch dazu geziemte es sich einer Frau erst recht nicht, einen Mann, dem sie zu dienen hatte, einfach nicht wahrzunehmen.
    Nasreddin trat also näher, noch immer unbeachtet, obwohl er sich klar war, daß sie ihn wahrgenommen haben mußte – denn so vertieft kann niemand sein, daß er einen knapp vor ihm stehenden Menschen nicht spürt –, trat an die Kiste und hustete. Als sie noch immer tat, als sei sie allein, faßte er den Bogen – und erst jetzt stellte er fest, daß es ein ganzes Bündel war – und riß ihn verhältnismäßig langsam entzwei.
     Im nächsten Augenblick traf er zwei bemerkenswerte Feststellungen: Die erste war, daß ein Mensch in Bruchteilen einer Sekunde vom völligen Nichtbeachtetsein, aus dem Nichts gleichsam, ins Zentrum, in einen Brennpunkt des Interesses, geraten kann. Und die zweite Feststellung, die überraschte ihn nicht zu sehr, schließlich handelte es sich um eine Frau: Von einer stummen Hämmerin wurde sie zum größten Springborn, den Allah wohl je hervorgebracht hatte. Sie schoß empor, und die Gewalt ihrer Stimme, unterstrichen durch die schwabbernde Masse ihres Körpers, ließ Nasreddin einen Schritt zurückweichen. Wie ertappt warf er ihr die Papierfetzen vor die Füße.
     Was sie schrie und gestikulierte, verstand er nicht, daß es für ihn alles andere als schmeichelhaft war, wurde ihm sehr deutlich, als sie noch auf ihn zukam und ihm mit flachen Händen gegen die Schultern hieb, ihn gleichsam zur Tür drängend. Dann trat sie zurück, ohne natürlich den fremdartigen Wortschwall zu unterbrechen, klopfte auf die Kiste, aus der traurig die Fransen des Papiers ragten, wies auf diese Reste, stürzte erneut auf ihn zu…
     Nasreddin ließ das mit großer Gelassenheit über sich ergehen. Daß so etwas eintreten konnte, damit hatte er gerechnet. Schließlich hatte er das Bezweckte erreicht. Nur, wie es weitergehen sollte, das wußte er noch nicht. Es wurde ihm daher, je länger jene keifte, die Situation doch peinlicher.
    Plötzlich jedoch wurde eine zweite Tür zum Zimmer aufgestoßen, ein grauhaariger untersetzter Mann, klein von Wuchs, machte einen riesigen Schritt ins Zimmer und herrschte etwas in ebender fremden Sprache, worauf die Frau erneut in eine diesmal weinerliche Tirade ausbrach und dabei mit dem einen weit ausgestreckten Arm auf Nasreddin zeigte, mit dem anderen auf die Papierreste sowohl in der Kiste als auch auf den Boden wies. Mehr und mehr wandte sich daraufhin der Mann Nasreddin zu, mit einem Gesichtsausdruck, der durchaus nichts Gutes verhieß und der zunehmend finsterer wurde.
     Nasreddin hielt es für besser, in die Offensive zu gehen. »Ich möchte zum – Vorsitzenden«, sagte er devot. »In einer Geldangelegenheit.«
     Einen winzigen Augenblick stutzte der andere. »Was wollen Sie, Sie Flegel? Dies war ein dringender Bericht an das Gebietskomitee, die Genossen warten darauf. Was haben Sie sich dabei gedacht, he?« Und er nahm der Frau die Papierfetzen, die sie aufgelesen hatte, aus der Hand und warf sie im hohen Bogen im Zimmer umher.
     »Sie hat mich nicht beachtet«, erklärte Nasreddin sanft, ein wenig vorwurfsvoll. »Und ich komme in guter Absicht.«
     »So, in guter Absicht«, höhnte der andere. »Das hat man gesehen. Und wie konnte sie ahnen, daß Sie in guter Absicht kommen?«
    »Eben«, antwortete Nasreddin bescheiden.
     »Warum haben Sie ihn nicht beachtet?« fragte der Kleine die Frau. Und es klang gar nicht freundlicher.
    Sie zog die Schultern hoch und sah Nasreddin von oben bis unten an, als wollte sie sagen: Schau ihn dir

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