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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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sie mit dem Verstand von Gänsen ausgestattet«, murmelte Nasreddin. »Das kommt davon, wenn man die Weiber so schamlos herumlaufen läßt; sie stiften nur Schaden und verbreiten Albernheit.«
     Nasreddin betrat den oberen Korridor. Aber seine Forschheit hatte von Stufe zu Stufe abgenommen. Die Atmosphäre des Gebäudes wirkte irgendwie einschüchternd auf ihn, strahlte etwas Ehrfurchtgebietendes aus, wie der Palast eines hohen Herrschers vielleicht, aber das traf es nicht.
    An den Wänden hingen Bilder eigenartigen Gepräges, meist Gesichter von Männern, selten ein Frauengesicht. Welch ein Frevel! Wissen sie nicht, daß der Koran das Menschenabbild verbietet, diese Giaurs! Aber alle, ob Mann oder Frau, blickten sie ernst, in schwarzen und grauen Tönen gemalt. Zerfurchte Stirnen und verkniffene Münder zeugten von Sorgen und Last. Aber auch bunte Bilder gab es. Auf rotem Untergrund Felder von Baumwolle mit Elefanten darauf, so naturgetreu und echt, daß Nasreddin sich vornahm, unbedingt einmal einen Maler solcher Bilder aufzusuchen, einen wahren Zauberer offenbar. Und in den Feldern auf den Bildern, in den Maschinen, bei der Obsternte überwogen eigenartigerweise wieder die Frauen, und sie schienen wohlgenährt und samt und sonders von überaus freundlicher Natur. Sie lachten im heißen Baumwollfeld, auf der rüttelnden Maschine – Nasreddin kam sogleich der Lärm in die Ohren, den diese Monstren vollführten – oder auf der unbequemen Leiter im Apfelbaum.
     Es gab auch Bilder, unter deren Inhalt er sich nichts oder nicht viel vorstellen konnte. Ein Mann lag mit dem Rücken zuoberst in einem weißen Zuber, und eine Frau malträtierte ihn mit einem dicken Wasserstrahl, ein Mann horchte mit einer Trompete einem Kind an der Brust, und noch ein anderer, mit einem seltsamen Gewand angetan, stand vor einer Maschine, die aussah wie der übermächtige Pfeil einer Tatarenarmbrust. Ein nächster gar schwamm in einer Kugel zwischen den Sternen umher. Nasreddin kam es schier vor, als hätte man aus einem Buch der Märchen hier die Seiten aufgeblättert. Aber Freude, das alles zu betrachten, machte es schon, und fast hätte er darüber sein Anliegen vergessen, wenn er nicht häufig in seinen Betrachtungen gestört worden wäre.
    Es herrschte ein ständiges Kommen und Gehen in den Gängen, dauernd klappten irgendwelche Türen, eilten Leute – wieder meist Frauen – mit dickeren oder dünneren Papieren in der Hand geschäftig hin und her, die Frauen mit eigenartigen Gebilden an den Füßen, die ihm draußen so deutlich noch gar nicht aufgefallen waren, die er hier jedoch um so mehr beach tete, weil es klang, als trabten Esel über Bretter. Gebilde, von denen er annahm, daß diese Frauen sie als Schuhe bezeichnen würden – Allah, o Allah, was für eine Welt!
     Die Männer auf den Bildern jedoch dämpften seine Spottlust, wenn er aufsah und sein Blick sich mit dem eines dieser Strengen traf. Dazu diese eigenartige Kleidung, freilich, ab und an hatte er in den beiden letzten Tagen schon ähnliches gesehen, aber beileibe nicht so gehäuft. Hier trug jeder dieser Männer einen verknoteten Strick um den Hals. Sollte…? Aber nein! Dann wäre doch der Knoten hinten!
     Eine schon etwas ältere Frau blieb vor ihm stehen, und Nasreddin meinte, daß sie wohl zur Vielzahl der allzu Beschäftigten zählen müßte, weil er sie schon mehrere Male hatte hin und her rennen sehen, und da sie recht wohlgenährt wirkte, klang ihr Trab besonders einprägsam. Sie redete ihn in einer unbekannten Sprache an, korrigierte sich aber noch, bevor er ihr zu verstehen geben konnte, daß er sie nicht verstehe, und fragte in bestimmtem Ton: »Sie wünschen, Bürger?« Und sie musterte ihn von oben bis unten.
     Wieder hatte Nasreddin Mühe – und er schalt sich albern deswegen –, Verlegenheit zu bekämpfen und klar zu antworten. »Zum Kha-kha…, zum Vorsitzenden möchte ich.«
    »Angemeldet?«
    Er schüttelte ein wenig verständnislos den Kopf. Dann aber wurde ihm klar. Schließlich konnte man zum Gebieter auch nicht gehen, noch nicht mal zu einem Chan, wann es einem einfiel. »Nein«, setzte er deshalb kleinlaut hinzu, »aber – ich dachte – es ist wichtig.«
     »Dachten Sie!« wiederholte sie mit einer Miene, die deutlich machte, daß es wohl außer dem, was sie tat, kaum etwas Wichtiges geben könnte. »Na, reden Sie einmal mit Nasdja. Wenn Genosse Chaibabtulajew guter Stimmung ist…« Klemmte ihre Papiere unter den Arm und trabte

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