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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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Feldblumen, darin das zarte Gelb der Baumwollblüten. Sie sagte nur: »Guten Tag«, stand unschlüssig, den Blick gesenkt. Dann legte sie zögernd die Blumen auf den Nachtschrank und nahm, als ob es ihr schwerfiele, Nasreddins Einladung an, sich auf den Bettrand zu setzen. Aber sie saß so weit vorn auf der Kante, daß sie gewiß ihr ganzes Gewicht mit den Beinen abstützen mußte. »Wie geht es?« fragte sie.
     Er nickte. »Ich freue mich, daß du gekommen bist«, sagte er. Und mit ein wenig Stolz fügte er hinzu: »Der Vorsitzende war schon hier.« Gleich danach schalt er sich albern; was schon galt das gegen ihren Besuch.
    »Ich weiß – ich habe ihn getroffen.«
    »Sein Besuch hat mich überrascht.«
    »Er ist kein schlechter Mensch.«
     Nasreddin faßte nach ihrer Hand, die sie ihm einen Augenblick überließ. »Wenn du es sagst.«
    »Er hat mich mit Sewara aufgenommen. Nicht alle aus dem Vorstand waren einverstanden.«
     »Nun, du arbeitest gut, und Sewara entwickelt sich prächtig.«
     »Das konnte man vorher nicht wissen.« Sie drehte an einem Knopf ihres Jäckchens. »Da werde ich wieder gehen«, sagte sie leise, ohne ihn anzusehen. Und dann munterer: »Wenn ich schon einmal in der Stadt bin, werde ich ein wenig einkaufen. Man braucht dies und das.«
    »In der Stadt, in welcher Stadt?«
    »Na, in Urgentsch.«
    »Da bin ich also wieder in Urgentsch!«
     »Das ist nicht weit. Zwei Stunden mit dem Autobus. – So, da will ich gehen. Ich wünsche dir gute Besserung.«
    »Danke«, sagte er rauh, »danke für deinen Besuch.«
     Schon im Gehen sagte sie: »Wenn du nichts dagegen hast, komme ich am Sonntag wieder.«
     »Da habe ich ganz und gar nichts dagegen, ich würde mich sehr freuen!«
     Von der Tür her warf sie ihm noch einen leuchtenden Blick zu.
     Wäre Nasreddin nicht vom Kopfschmerz so gemartert worden und hätte er nicht erneut dieses bohrende Klopfen in Hand und Arm gefühlt, er wäre rundherum glücklich gewesen, auch wenn er nach wie vor den Auftritt des Vorsitzenden nicht bewerten konnte. Daß der kein schlechter Mensch sei, genügte ihm nicht.
    Zu einer Unterhaltung verspürte Nasreddin keine Lust. Und er tat nicht nur so, als ob er schlafen wolle, er fühlte sich tat

    sächlich erschöpft. Und als die Besuchszeit zu Ende war, sich die Gäste verabschiedeten, schlief er bereits tief.

    Nasreddin saß vergnügt im Park des Krankenhauses auf einer Bank und sah einem Spatzenpaar beim Liebesspiel zu. Es wollte dem Spatzenmann nicht gelingen, sosehr er sich auch aufplusterte und tschilpend hin und her sprang, die gleichgültig tuende, aber auch nicht fortfliegende Spätzin zu betören.
     Des lädierten Armes wegen hätte Nasreddin schon längst entlassen werden können, wenn auch noch im Gipsverband, allein die Ärzte hatten ihm nach der Gehirnerschütterung Ruhe verordnet, und als sie erfuhren, wie es um seine Unterbringung und das Drumherum stand, hatten sie ihn noch länger behalten.
     Aber Nasreddin selbst fühlte sich wieder sehr wohl, nur die Kost hätte besser sein können, meinte er. Die Kopfschmerzen hatten sich verflüchtigt, unter dem Verband pochte es nicht mehr, und er hatte viel Zeit, über sich und die Welt nachzudenken. Und das war eigentlich das einzige, was ihm ein wenig Sorge bereitete. Allzuleicht drehten sich seine Gedanken im Kreis, weil er stets irgendwo auf einen Punkt stieß, wo ihm einfach Wissen fehlte, wo es deshalb nicht weiterging. Er hatte auch hier die Erfahrung gemacht, daß ihn direktes Fragen nicht zum Ziel führte.
    So gut er sich mit den Zimmerkollegen vertrug – der mit dem, abgeschnittenen Finger war unterdessen einem zweiten mit kompliziertem Beinbruch gewichen –, sie neigten doch schnell dazu, über ihn zu spotten, und so gut vertrug er das nicht mehr, worüber er sich selber am meisten wunderte. Oft mals sagte er sich, ich bin nicht mehr der alte Nasreddin. Kam mir früher einer so, hat er meistens den kürzeren gezogen. Die Leute in Aksehir hielten mich für witzig. Ob dieses Rufes eigentlich ließ der Herrscher mich zu sich rufen, deswegen nur bin ich hier. Und jetzt? Ist es so, daß nur der spotten kann, der über den Dingen steht, der sie durchschaut, der tief in sie gedrungen ist und mit ihnen spielt, der die Gedanken des anderen immer schon ein Stück vorausdenkt? Es wird wohl so sein. Wenn man das Elementarste nicht begreift und – was sicher schlimmer ist – die Objekte, gegen die man den Spott richten könnte, ihn nicht verdienen, dann

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