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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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zwei Gründen nicht folgen, erstens brummte sein Schädel gewaltig, und zweitens fehlten ihm zum Verständnis eine große Menge Voraussetzungen.
     Diese Visite hatte Folgen. Zuerst kam eine – mittlerweile wußte er, daß sie »Schwester« genannt wurde –, die ihn mir nichts, dir nichts auf den Bauch drehte, ihm ungeniert abermals das Hemd hochkrempelte und ohne viel Federlesens heftig ins Hinterteil stach.
    Als er sich von diesem Schreck erholt hatte, erschien eine andere, die eine Reihe Utensilien bei sich hatte. Diese stach Nasreddin in den Arm. An der Nadel befand sich ein Schlauch, der in einem durchsichtigen Rohr endete. Als das Blut zu fließen begann, wurde Nasreddin ohnmächtig. Unter Ohrfeigen kam er zu sich. »Seht euch den an, das will ein Mann sein!« spottete die Schwester. »Bei einem Tropfen Blut schmiert der ab.«
    So fröhlich aber war das Lachen der anderen nicht.
     Dann kam erneut die erste und wand ihm einen feuchten Kopfwickel. Als viertes mußte er mehrere Kügelchen und Täfelchen schlucken. Zum Mittagessen bekam er ein dünnes Süppchen, während die anderen einen handfesten Plow verzehrten. Nur der Duft nach Hammelfleisch ließ Nasreddin sein Mahl mit einigem Appetit verzehren. Eine solche Visite kann mir gestohlen bleiben, dachte er grimmig.
    Nachmittags kam Besuch.
     Zunächst erschien die Mutter des dritten Mannes im Zimmer, eines Tischlers, dem beim Sägen zwei Finger abhanden gekommen waren, von denen sie einen wieder angenäht, den anderen nicht gefunden hatten. Diese Frau weinte und wimmerte in einem fort, mal lauter, mal leiser, als wäre es nicht der Finger, sondern der Kopf, den man nicht wieder entdeckt hatte.
     Dann kam die Frau des Nachbarn, des Kollegen vom Schober. Neben einem noch loseren Mundwerk, als es ihr Mann besaß, brachte sie alles mit, was Haus und Hof boten, Blumen und Kompott, Plätzchen und Säfte. Eine Flasche – Nasreddin sah es deutlich – steckte sie ihm heimlich unter die Bettdecke. Und während sie auspackte, schnatterte sie in einem fort, so daß Nasreddin mit seinen Kopfschmerzen ihr nur schwer folgen konnte.
    Er konnte es auch deshalb nicht, weil wenig später – o Allah und Schreck – der Vorsitzende erschien, dem Mann vom Schober die Hand gab, ein paar Sätze über das Befinden austauschte und dann schnurstracks auf Nasreddins Bett zusteuerte, ihn beinahe überschwenglich, wie einen guten Bekannten, begrüßte, sich auf das Bett setzte und als erstes verkündete, daß nun doch Aussichten bestünden, den Plan zu erfüllen. Erstens, man habe sich ja angestrengt, und Nasreddin habe das Seine dazu beigetragen, und zweitens sei da eine kleine Planpräzisierung, weil, na ja, die neue Sorte wohl einen kleinen Rückgang aufweise. Dabei kniff der Vorsitzende ein Auge zu, als wären sie die dicksten Verschwörer.
     Nasreddin wußte nicht, wie ihm geschah. Und das nächste, was Semjon Semjonowitsch losließ, verstand er gleich gar nicht. Der sagte mit gedämpfter Stimme: »Bei der Gelegenheit, Genosse Anoraew, regeln wir das gleich mit deinen Papieren, klar? Wenn dich einer danach fragt, du hast sie wahrscheinlich beim Unfall verloren, klar? Ich mach das schon. Du hast damit nichts zu tun, sagst nur, daß du sie wahrscheinlich verloren hast.«
     Da Nasreddin schon mehrfach verspürt hatte, daß seine sogenannten Papiere im höchsten Maß anrüchig zu sein schienen, hielt er den Vorschlag des Vorsitzenden für sehr akzeptabel. Und wem schadete es schon, wenn man sagte, man hätte etwas verloren. Er nickte daher kräftig zum Zeichen seines Einverständnisses. Aber die Wandlung des Vorsitzenden begriff er nicht. »Ts, ts – auch zu dumm, sich bei diesem Unfall gleich Hand und Arm zu brechen«, fuhr der Vorsitzende fort. Dabei sah er Nasreddin so durchdringend an, daß dem der Widerspruch in der Kehle steckenblieb.
    Ohne zu wissen, worauf dieser hinauswollte, wiederholte Nasreddin: »Zu dumm!«
     »Na, es wird schon werden. Halte dich an das, was die Ärzte sagen, und du bist bald wieder auf den Beinen, und dann mit echten Papieren!« Und mit dem Ausdruck höchster Freundlichkeit verabschiedete sich der Vorsitzende, ließ einen völlig verwirrten Nasreddin zurück, dem schon die Kopfschmerzen genug zu schaffen machten.
     Gegen Ende der Besuchszeit widerfuhr ihm eine unzweideutige Freude. Scheu und verlegen betrat Gusal das Krankenzimmer, mit der Linken das Tuch vor die untere Gesichtshälfte haltend, in der Rechten ein wenig krampfhaft einen Strauß

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