Der Geist des Nasredin Effendi
gekommen!
Nasreddin ergriff die nächste Gelegenheit und schlenderte zum Pförtner. Nun, man sah es nicht gern, wenn sich die Patienten im Foyer des Hauses aufhielten. Doch der in dieser Woche Diensthabende war einer, der dem scheußlichsten aller Laster – jedenfalls aus Nasreddins Sicht – verfallen war, er rauchte beinahe ununterbrochen in Papier eingewickeltes braunes Kraut, das ihn stets in eine ekelerregende Rauchglocke hüllte. Ja freilich, der Herrscher raucht auch – hatte auch geraucht –, aber aus einer von einem Extrasklaven bedienten, mit Wasser gefüllten Nargileh, die keine schwarzen Zähne und braunen Finger machte und obendrein unschädlich war. Denn das hatte Nasreddin bereits gelesen, daß jener Rauch allerlei menschliche Gebrechen begünstigte. Kurzum, dieser Pförtner rauchte, und Nasreddin hatte sich vom Schoberkollegen eine Packung Papirossy geliehen. Daraus bot er jenem Qualmer eine und eine zweite zum Aufheben an.
Und dann bemühte sich Nasreddin, um möglichst nicht aufzufallen, all das an Umgangssprachlichem anzuwenden, was er bereits gelernt hatte. »Hast ja tolle Chancen«, begann er das Gespräch.
Der Pförtner zündete sich genüßlich einen solchen Luftverpester an und sagte: »Du!«
Nasreddin verstand nicht sogleich. »Was ich?«
»Na, du hast Chancen.«
»Wieso?« fragte er, als jener, ohne weiterzusprechen, lediglich – wie ein Erstickender Sauerstoff – durch das zerdrückte Pappstück beißenden Rauch einsog.
»Na, weil sie nach dir gefragt hat. Du bist doch Anoraew, oder?«
»Nach mir hat sie gefragt?« wiederholte Nasreddin nachdenklich. Also doch, dachte er. Nun stand fest, daß es kein Zufall war. Ihr Interesse galt also tatsächlich ihm. Und sofort war das seine wieder voll erwacht. »Und was wollte sie wissen?«
»Wann du entlassen wirst. Sie hat wohl schon Sehnsucht nach dir, das Täubchen.« Der Pförtner lachte anzüglich, enthüllte dabei eine Reihe papirossyzernagter brauner Zahnstummel, so daß sich Nasreddin abwandte. »Sieht man dir gar nicht an, daß sich so eine«, und er schnipste mit den Fingern, was wohl eine Geste der Anerkennung sein sollte, »für dich interessiert.«
»Na, na!« Nasreddin warf sich in die Brust, ging so auf das Gefrotzel des anderen ein. »Allah hat mich mit alldem beschenkt, was eine liebliche Blume glücklich machen kann!« Dann kam er auf das Thema zurück. »Was wollte sie genau wissen?«
»Ich habe dir schon gesagt, sie hat sich erkundigt, wann du entlassen wirst. Und da ich das nicht wußte, hat sie von hier aus zur Station telefoniert.«
»Und was wollte sie von dort wissen?« Weil der andere unwillig guckte, auch ein wenig mißtrauisch, hielt Nasreddin ihm erneut die Schachtel mit den Tabakstengeln hin.
»Na, so dicke scheinst du mit ihr wohl nicht zu stehen! Sie wollte wissen, wann, mit Uhrzeit sogar, und wohin du entlassen wirst, ob du wieder zurück auf deinen Kolchos gehst. Besucht hat sie dich wohl nicht, was? Zu vornehm, die Dame, für unser Provinzkrankenhaus.«
»Ach was, sie hatte nur keine Zeit«, log Nasreddin. »Weiter hat sie nichts gesagt?«
»Nichts, aber einen ganzen Rubel hat sie für das Telefonieren bezahlt. Dabei ist das ein Hausapparat!« Und er zog eine Grimasse, die wohl ein verschmitztes Lächeln ausdrücken, andererseits aber wohl zeigen sollte, für wie dumm er doch im Grunde die schöne Dame hielt. »Doch sag es ihr nicht weiter!«
»Wo denkst du hin!« Aber Nasreddin hing seinen Gedanken nach. Das Gespräch mit dem Pförtner würde ihm keinen weiteren Aufschluß mehr geben. Vielleicht doch. Er fragte: »Hat sie die Uhrzeit erfahren, zu der ich entlassen werde?«
»Ja – so gegen elf, hat die Schwester gesagt.«
»Gegen elf also…« Nasreddin stand auf. Mehr aus Versehen kam die Schachtel mit den Zigaretten in die Reichweite des anderen. Der mißdeutete die Situation, griff zu und langte sich gleich drei Stück.
»Ich wünsche dir also viel Vergnügen«, sagte er mit Augenzwinkern, als Nasreddin ging.
»Ja, ja«, antwortete der zerstreut. »Danke!« Der nächste Tag ist meine Chance, dachte er. Wie er sie nutzen könnte, wußte er noch nicht.
Nasreddin schien, als ob sich an diesem Tag die Visite besonders viel Zeit ließ. Er lag wie auf Kohlen, aber es nützte nichts, sie mußte er noch über sich ergehen lassen.
Sein Schoberkollege redete fast unaufhörlich auf ihn ein, gab Ratschläge und bestellte Grüße. Er mußte noch vierzehn Tage
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