Der Geist des Nasredin Effendi
bleiben, weil aus seinem Bein noch Nägel gezogen werden sollten, wovor er sich mächtig fürchtete. Und diese Furcht brach nunmehr durch, da Nasreddin, sein einziger Bekannter, entlassen wurde. Es schien, als stülpe er seinen Redeschwall wie ein Netz über ihn, um ihn festzuhalten.
Nasreddin hatte dafür nicht das geringste Interesse, er heuchelte es schlecht, jedoch der andere merkte das anscheinend nicht.
Endlich kam der Chefarzt mit Eskorte. Nasreddin gab sich besonders freundlich, sagte zu den stereotypen Fragen ja, stellte selbst keine, so daß er mit den üblichen unpersönlichen Wünschen seitens des Chefs sehr schnell abgefertigt war.
Nicht so der Nachbar. Er hatte hundert Fragen, erteilte den Ärzten Ratschläge, was jene wiederum nicht gern sahen. Es gab kategorischen Widerspruch und wieder weitschweifiges Einlenken. Aber schließlich war auch das überstanden. Nasreddin hätte den Schoberkollegen fressen mögen.
Dann endlich verließ die Schwadron das Zimmer.
Nasreddin lauschte noch, bis sich das Gemurmel auf dem Korridor gelegt hatte und die Tür zum Nachbarzimmer klappte. Dann sprang er mit einem Satz aus dem Bett und eilte zum Stationszimmer, das zu diesem Zeitpunkt nur mit einer Hilfsschwester besetzt war. Und unter Einsatz all seines Charmes und mit ein paar faustdicken Lügen, daß er unbedingt den nächsten Bus erreichen müsse, wenn er seinen Bruder, der mehrere Jahre verreise, noch sehen wolle, und ähnlichem erreichte er, daß sie seinem Wunsch zustimmte, das Krankenhaus gleich zu verlassen, und ihm den bereits ausgefüllten Entlassungsschein herausrückte.
Nasreddin drückte der Verdutzten einen Kuß auf die Wange, stürzte zurück ins Zimmer, zog sich um, verabschiedete sich rasch, und bevor sich die beiden Mitpatienten von ihrem Erstaunen erholt hatten, verließ er das Zimmer. Der Schoberkollege rief ihm noch hinterher, daß er ja nicht vergessen solle, auszurichten, daß ihm die Frau zur nächsten Besuchszeit noch ein Wässerchen mitbringen möge.
Es war kurz nach zehn Uhr, als Nasreddin das Foyer betrat.
Mit äußerster Vorsicht schritt er weiter, zerstreut hielt er der jetzt diensttuenden Pförtnerin den Schein vor. Stets hielt er den Blick nach draußen gerichtet, ob irgendwo das rote Auto oder sie selbst zu erspähen sei.
Dann drückte er sich förmlich durch das Portal, orientierte sich rasch, schließlich hatte er das Hospital noch nie von der Straßenseite aus gesehen, und ging dann einige Meter in eine Nebenstraße hinein, um sich im Schutz eines Baumes einen Plan zurechtzulegen. Aus irgendeinem Grund hatte er sich entschlossen, überraschend vorzugehen, selbst die Initiative zu ergreifen, wie Timur, der große Feldherr, dachte er, der dem Feind keine Chance für eine Gegenmaßnahme ließ.
Auf der dem Krankenhaus gegenüberliegenden Straßenseite befand sich ein Geschäft für Eisenwaren, das eine tiefgezogene Markise aufgespannt hatte. Dieser Platz schien Nasreddin für sein Vorhaben günstig. Rasch, nach den Seiten auf ein ankommendes rotes Auto achtend, überquerte Nasreddin die Fahrbahn. Vor dem Schaufenster vertiefte er sich in den Anblick von Zangen, Schrauben und Bohrmaschinen.
Lange aber mußte er das nicht tun. Im Spiegelbild der Scheibe sah er, wie das erwartete Auto anrollte, aber etliche Meter vor dem Portal hielt.
Die Frau kurbelte die Fenster des Autos herab, setzte sich bequem, hatte offensichtlich die Absicht, nicht auszusteigen, sondern vom Wagen aus zu beobachten, wie Nasreddin das Haus verlassen würde, was wiederum nicht auf eine Absicht hindeutete, ihn etwa sprechen zu wollen.
Den Kopf auf die Schaufenster gewandt, den Blick mit verdrehten Augen jedoch auf das Auto, schlenderte Nasreddin auf seiner Straßenseite dem Fahrzeug zu, bestrebt, sich stets im Sichtschutz anderer Passanten zu bewegen.
Auf gleicher Höhe angekommen, verhielt Nasreddin. Die Aufregung ließ seinen Puls bis zum Hals schlagen. Mit Mühe gelang es ihm, sich etwas zu beruhigen.
Dann sah er hinüber. Sie saß noch immer bequem, den etwas müde wirkenden Blick auf das Hospitalportal gerichtet. Auf die Brille hatte sie verzichtet.
Nasreddin ließ einige Fahrzeuge an sich vorbeifahren, vergewisserte sich, daß keine weiteren folgten, nahm dann allen Mut zusammen und sprang mit wenigen Sätzen auf das rote Auto zu und um dieses herum.
Er hatte Glück – für ihn war es ein Zufall, denn bedacht hatte er das aus Unkenntnis nicht –, daß die rechte Tür
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