Der Geist des Nasredin Effendi
locker, sichtbar bemüht zu scherzen. »Ich freu mich«, setzte er hinzu, »daß du wieder munter in die Welt guckst, hast verdammt lange gebraucht.«
»Wie lange?«
»Na, so einen Tag lang. Einen Augenblick dachte ich schon, du wolltest dich zu Allah machen, noch bevor aus dir ein ordentlicher Baumwollpflücker geworden ist.«
Nasreddin lächelte. Wenn du wüßtest, dachte er, daß ich eine Weile annahm, bereits in Allahs Reich zu sein! »Und – was ist mit mir?« fragte er obenhin.
»Na, neben der gebrochenen Hand, die du dir am Exhaustor geholt hast, ist der Arm zweimal gebrochen, und eine Gehirnerschütterung wirst du haben, vermuten sie.«
»Was wird aus dem Schober?« fragte Nasreddin.
»Wenn du keine anderen Sorgen hast!«
Nasreddins Gedanken, durch die Kopfschmerzen ohnehin träge, versuchten in diesen neuen Zustand System zu bringen. Nun gut, er hatte sich verletzt, man versuchte ihm zu helfen. Warum aber, bei Allah, hatte man ihn nicht ins Quartier, sondern hierhergebracht? Was sollte dieser weiße panzerartige Verband? Ein Bruch hatte jener gesagt, genügen da nicht zwei Stöcke und ein Streifen Leder? Wenn es gut zusammenwächst, hat man Glück gehabt, wenn nicht – Kismet!
»Ich bin neugierig, was Anna erzählen wird, heute nachmittag ist Besuchszeit. Schade, daß das mit dem Bein ist!« Er klopfte gegen den Verband, daß es hell schallte. »Ich habe so viel in meinem Garten zu tun. Ein paar Tage Kranksein wären mir da ganz gelegen gekommen.«
Nasreddin verstand nicht im geringsten, was jener meinte. Er war doch nun krank… Aber er versuchte gar nicht erst, das zu begreifen. Du bist in ein anderes Zeitalter dieser Welt geraten, Nasreddin, in eins, das du nicht kennst. Also – wieder die bewährte Methode: Sehen, hören, begreifen…
Aber was in den nächsten Stunden auf ihn einstürmte, war dennoch schwer zu verstehen.
Zunächst kam eine Horde Männer und Frauen in strengen weißen Kitteln, die so viel Respekt ausstrahlten, daß der Kollege mit dem sonst recht losen Mundwerk schier unter die De cke kroch und sich benahm wie ein Hündchen, dem man auf den Schwanz getreten hatte.
Diese Leute hielten Zettel in der Hand oder vielmehr Tafeln, fragten sich gegenseitig Unverständliches ab, einer, der würdigste, ergriff Nasreddins Arm, worauf alle ringsum in ehrfürchtiges Schweigen verfielen. Dann, wie nach einem erlösenden Spruch, lief alles weiter. Nasreddin kam sich ebenfalls klein und nichtig, wie überhaupt nicht vorhanden vor.
Eine Frau warf plötzlich ziemlich heftig und ungeniert seine Decke zur Seite, streifte das lange Hemd bis zur Brust hoch, Nasreddin vermeinte vor Scham in die Matratze kriechen zu müssen, und jener Würdige grapschte ihm durchaus unwürdig auf dem Bauch herum und drückte ihm auf die Eingeweide. Dann wurde das Hemd wieder geschäftig nach unten gezogen, sogar die Decke übergestreift, und danach, siehe da – Nasreddin erschrak förmlich –, fragte ihn der Anführer überraschend: »Wie geht es uns denn?«
Nasreddin sah sich um, ob der Würdige alle oder – weil nur er angesehen wurde – nur ihn gemeint hatte. Schließlich hatte er »uns« gesagt, und ihm wäre es lieber gewesen, es hätte statt seiner ein anderer geantwortet.
»Na, nicht gut? Aber, aber!« Und im Nu packte ihn dieser Mensch am Kinn, zog ihm, jeden Widerstand ausschaltend, den Mund auf und drückte, daß es ordentlich im Hals würgte, mit einem dicken Finger die Zunge nach unten.
Nasreddin röchelte. »Na also – doch alles in Ordnung! Kopfschmerzen?«
Nasreddin nickte heftig. »Aber es geht, bei Allah!«
Der Mann lachte, die anderen lachten wie ein Echo. »Deinen Allah lassen wir aus dem Spiel. Den Baum hat er euch auch nicht aus dem Weg geräumt.« Unvermittelt drehte er sich weg, ordnete Unverständliches an, eine der weißbekittelten Frauen schrieb wie besessen, und man wandte sich dem nächsten Bett zu.
Als sie gegangen waren, konnte Nasreddin nicht an sich halten, und er fragte: »Was, um Allahs willen, war das?«
»Na, was schon, die Visite. Warst du noch nie in einem Krankenhaus? Hier kannst du Dinge erleben, sage ich dir! Als ich das erstemal, warte, das war neunzehnhundert…« Und der andere begann ausführlich zu erzählen, wie man ihm den Leib aufgeschnitten und nach Steinen gesucht hatte, später die Wunde erneut öffnen mußte, weil man etwas vergessen hatte…
Aber obwohl jener munter und scherzhaft erzählte, konnte Nasreddin dem aus
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