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Der Geisterfahrer

Der Geisterfahrer

Titel: Der Geisterfahrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Hohler
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gern, besonders wenn er einen härteren Widerstand eingeschaltet hatte, 8 oder 9. Eigentlich, und diese Einsicht erschreckte ihn, eigentlich war es ihm gleichgültig, was in der Welt geschah, denn er fühlte sich nicht mehr als Teil davon, wenigstens nicht als Teil der handelnden Welt.
    Da er keinen weiteren Abkürzungspfad gefunden hatte, war er einfach den weglosen Hang hinauf gegangen, über Grashügel und Heidelbeerstauden. Nun war der Nebel so dicht geworden, dass er nicht sehen konnte, ob er wirklich auf eine Schlaufe der Fahrstraße zuging oder ob diese nicht vielleicht einen anderen Verlauf nahm. Er hielt einen
Moment inne und fand es dann klüger, wieder zurück auf die sichere Straße zu gehen. Also kehrte er um und ging die paar Schritte wieder hinunter. Dies kam ihm jedoch eigenartig lang vor, und er fragte sich, ob er falsch gegangen sei. Allerdings war das fast nicht möglich, er hatte sich ja bloß umgedreht und war in derselben Richtung abgestiegen. Jedenfalls war er erleichtert, als er wieder auf der Fahrstraßenkurve stand, bis er merkte, dass er eine übersprungen haben musste, denn er fand den Pfad, den er schon einmal hoch gegangen war. Noch drei Minuten, dann waren die vierzig Minuten vorbei, und der Nebel war so undurchdringlich, dass er kaum fünf Meter weit sah. Es ist wohl, sagte sich Baumberger, es ist wohl vernünftiger , ich kehre um, und dann ging er zu seinem eigenen Erstaunen hinauf. Gut, er wollte also zu diesem Denkmal. Immerhin trug es seinen Namen, und so bald würde er hier nicht wieder vorbeikommen.
    Er nahm nochmals die Abkürzung, und da die Zeit knapp wurde, verließ er die nächste Kurve an derselben Stelle und ging so rasch wie möglich bergan. Seine gute körperliche Verfassung freute ihn. Bestimmt hatte sie mit der regelmäßigen Benützung seines Treters zu tun. Ursprünglich hatte er sich das Gerät angeschafft, um etwas gegen seinen zu hohen Blutdruck zu tun. Es ärgerte ihn, dass er jeden Tag ein Medikament schlucken musste, er sah dies als Alters- und Abhängigkeitssignal. Wenn ich entführt würde, überlegte er sich einmal, dann müsste es im Appell an die Geiselnehmer heißen, ich sei dringend auf ein Medikament angewiesen. Aber wer sollte ihn schon entführen, ihn, einen mittleren Beamten der Militärversicherung?
Er hatte zu spät realisiert, dass es mit der Armee bergab ging und dass somit auch die Aufstiegschancen in höhere Stellen und Besoldungsklassen sanken und dass eine Abteilung wie die seine jeglicher Karrierenattraktivität entbehrte. In den technischen Diensten, wo es um die Rüstung ging, dort eilten die Kollegen nach wie vor mit hoch erhobenen Häuptern und wichtigtuerischen Gesichtern durch die Gänge, dort wurden immer noch Millionen umgesetzt, und die Nähe zur Wirtschaft, ihrer Betriebsamkeit und ihrer Bestechlichkeit war der Kleidung und den Agenden der Kaderleute anzusehen. Hätte er sich rechtzeitig um Versetzung und Einschulung in diese Abteilung bemüht, stünde er heute vielleicht auf einer höheren Stufe. Aber was wäre dann wirklich anders? Seine Frau wäre genau so tot, und seine Tochter genauso weit weg. Baumberger stellte fest, dass ihm auch seine berufliche Stellung inzwischen gleichgültig war.
    Er hatte seine Zeitlimite um zwei Minuten überschritten, als er unter dem Mast eines Skilifts stand. Ein leichter Regen setzte ein. Baumberger ging nun auf der Spur des Lifts weiter und versuchte seinen Schritt etwas zu beschleunigen. Als er vor sich die Umrisse der Bergstation sah, verließ er das Trassee und stieg höher, dorthin, wo er den Gipfel vermutete. Immerhin blieben ihm noch seine zehn Reserveminuten, die er nun einsetzen konnte. Er versuchte auf die kleinen Felsstücke zu treten, die ab und zu aus dem Gras schauten, musste manchmal lange Schritte nehmen und geriet ins Keuchen. Die Nässe war heimtückisch, einmal rutschte er bei einem etwas gewagten Tritt aus und schlug mit dem Schienbein gegen den Stein, auf
dem er ausgeglitten war. Rasch erhob er sich wieder, rieb sich einen Moment die schmerzende Stelle, spürte aber, dass er noch gut gehen konnte. Im Innehalten wurde ihm klar, dass er vorsichtig sein musste, denn außer ihm war wohl niemand unterwegs, und schon ein verstauchter Fuß würde ihn hier in ziemliche Schwierigkeiten bringen. Trotzdem, umkehren wollte er nicht, es konnte sich wirklich nur noch um ein paar Minuten handeln, bis er das Denkmal erreichte. Allerdings ließ der Regen nicht nach, und die Sicht war

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