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Der Gejagte

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Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ausgestreckter Arm
deutete. Eine kleine Gruppe von Männern kam die aus dem Fels gemeißelte Treppe zum Kai hinunter: La Valette und sein Sekretär, die
lediglich von Romegas und vier weiteren Soldaten eskortiert wurden.
    Romegas stockte für einen Moment, als er nicht nur Andrej, sondern auch Abu Dun auf der Kaimauer stehen sah, und sein Gesicht
verdüsterte sich. Er beschleunigte unwillkürlich seine Schritte, wurde
aber dann wieder langsamer, als weder La Valette noch Starkey die
geringsten Anstalten machten, es ihm gleichzutun.
    Andrej warf einen raschen, besorgten Blick in Abu Duns Gesicht.
Sie hatten am vergangenen Abend vergebens versucht, mit dem
Großmeister oder zumindest Sir Oliver zu sprechen, doch einer der
zahlreichen Adjutanten La Valettes hatte sie für Sonnenaufgang an
den Hafen bestellt. Andrej hatte sich bislang keinerlei Gedanken über
diesen sonderbaren Treffpunkt gemacht, nun aber fragte er sich, ob
das nicht ein Fehler gewesen war. Möglicherweise war ja die Wahl
ihres Treffpunktes nicht ganz so willkürlich, wie er bisher angenommen hatte.
    Der Gedanke machte ihm klar, wie wenig er im Grunde von Starkey und vor allem La Valette wusste. War er vor lauter Dankbarkeit
darüber, für einige Jahre Frieden gefunden zu haben, blind für die
wahren Ziele seiner vermeintlichen Wohltäter gewesen?
    »Tu mir einen Gefallen und sag gar nichts«, warnte er leise, während La Valette und seine Begleiter näher kamen. »Lass mich reden.«
»Ganz, wie Ihr befehlt, mein Herr und Meister«, antwortete Abu
Dun spöttisch.
    Andrej schenkte ihm einen bösen Blick, beließ es aber dabei und
geduldete sich, bis der Großmeister des Johanniterordens samt seinem Gefolge herangekommen war. La Valettes Blick streifte ihn und
Abu Dun nur kurz und glitt dann mit deutlich größerem Interesse
über die Boote, ihre Ladung und die Soldaten, die noch immer mit
deutlich größerer Hektik als Effizienz darum bemüht waren, möglichst schnell an Bord zu gehen, während er in Starkeys Augen wieder dieses sonderbare, angedeutete Lächeln wahrnahm, das ihm mit
jedem Mal, da er es sah, rätselhafter erschien. Dem wütenden Romegas schenkte Andrej gar keine Beachtung.
    »Andrej Delãny«, begann Starkey, nachdem sie sich auf drei Schritte genähert hatten und stehen geblieben waren. »Und Euer Freund
Abu Dun. Ihr seid pünktlich, wie ich sehe. Eine löbliche Tugend.«
    Andrej war nicht nach belanglosem Gerede zu Mute. »Ihr hattet uns
für Sonnenaufgang hierher bestellt«, erwiderte er mit einem angedeuteten Nicken in La Valettes Richtung. Das Wort befohlen vermied er
bewusst. Er vermied es auch, Starkey danach zu fragen, warum Abu
Dun und er nicht schon am vergangenen Abend zu ihm vorgelassen
worden waren, obwohl er selbst doch mehr oder weniger offen auf
einem solchen Gespräch bestanden hatte.
    »Das ist richtig«, sagte Starkey. »Man hat mir ausgerichtet, dass Ihr
uns zu sprechen wünscht?«
Andrej war so überrascht, dass er gar nicht antworten konnte. Was
für ein Spiel spielte der Engländer mit ihm?
Er spürte, wie sich Abu Dun neben ihm spannte und Luft zu einer
Entgegnung holte, die ganz gewiss nicht dazu angetan war, das Gespräch einfacher zu machen, und hob rasch die Hand, um den Nubier
zum Schweigen zu bringen.
»Vielleicht wäre es besser, wenn wir…«, begann er, führte den Satz
aber bewusst nicht zu Ende, sondern streifte Romegas und die vier
Soldaten in seiner Begleitung mit einem bezeichnenden Blick. Starkey tat zunächst so, als verstünde er nicht, was Andrej von ihm wollte, dann aber wandte er sich mit einem resigniert klingenden Seufzer
an Romegas.
»Lasst uns allein«, befahl er.
Bei diesen Worten wich das letzte bisschen Farbe aus Romegas’
Gesicht, doch er widersprach nicht, sondern machte eine entsprechende Geste in die Richtung seiner Männer. Die vier Ritter zogen
sich gehorsam außer Hörweite zurück, er selbst jedoch blieb stehen
und musterte Andrej und Sir Oliver ebenso herausfordernd wie trotzig.
»Ich nehme an, Ihr habt über meinen Vorschlag nachgedacht«,
vermutete Starkey. »Und ich bin sicher, ich kenne die Antwort.«
»Wenn Ihr Euch da mal nicht vertut«, grollte Abu Dun. Romegas
funkelte ihn an, als sei allein die Tatsache, dass der Nubier das Wort
an seinen Herrn gerichtet hatte, schon ein todeswürdiges Verbrechen,
und Andrej warf ihm einen geradezu beschwörenden Blick zu, doch
Abu Dun fuhr mit einem dünnen, freudlosen Lächeln an La Valette
gewandt

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