Der Gejagte
weißhaarigen
Johanniter zwar einen Moment lang so voller unverhohlenem Hass
an, dass Andrej sich darauf vorbereitete, einzugreifen und das
Schlimmste zu verhindern. Doch dann nahm er die Hand wieder vom
Schwert und trat sogar einen halben Schritt zurück. »Ganz, wie Ihr
wollt.«
»Für diese Unverschämtheit werdet Ihr bezahlen, Mohr«, zischte
Romegas.
»Täusche ich mich oder hatte Sir Oliver Euch einen Befehl erteilt,
Chevalier?«, fragte La Valette kühl.
Die Wut, die in Romegas’ Augen aufblitzte, als er sich zu La Valette umdrehte, war kaum geringer als der Hass, mit dem er Abu Dun
gemustert hatte. Er presste die Kiefer so fest zusammen, dass Andrej
seine Zähne knirschen hörte. Dann wandte er sich ohne ein weiteres
Wort um und stürmte davon, um Starkeys Befehl auszuführen. Seine
Soldaten blickten ihm verwirrt nach und schienen nicht genau zu
wissen, was sie nun tun sollten. Schließlich berieten sie sich kurz und
zwei von ihnen folgten dem Ritter, während die beiden anderen zurückblieben und sich alle Mühe gaben, Andrej und den Nubier so
finster zu mustern, wie sie nur konnten.
Andrej empfand Verachtung für sie, aber gleichzeitig schämte er
sich dieses Gefühles auch. Er wusste nicht im Einzelnen, was diese
Männer über ihn dachten, doch um Abu Dun rankten sich seit dem
Tag ihrer Ankunft auf Malta die wildesten und zum Teil erschreckendsten Gerüchte. Wenn diese Männer auch vielleicht nicht glaubten, dem Teufel persönlich gegenüberzustehen, so doch sicherlich
zumindest jemandem, der gut mit ihm bekannt war.
»Und Ihr, Andrej Delãny?«, fragte La Valette. »Gilt das Wort Eures
Freundes auch für Euch oder müssen wir neu verhandeln?«
Andrej war unschlüssig, was er antworten sollte. Er glaubte nicht,
dass Sir Oliver seinem Großmeister alles mitgeteilt hatte, was am
vergangenen Abend zwischen ihnen besprochen worden war, und aus
einem Grund, den er selbst nicht ganz verstand, widerstrebte es ihm,
den Engländer in Verlegenheit zu bringen. Schließlich rettete er sich
in eine Bewegung, die irgendwo zwischen einem Achselzucken und
einem angedeuteten Nicken angesiedelt war.
»Ich bin derselben Meinung wie Abu Dun«, sagte er. »Wir sind
keine Meuchelmörder, doch einen Mann wie Mustafa Pascha zu töten, ist für meine Begriffe kein Mord.«
»Und Euer…« La Valette brach ab. »Und dieser andere Eurer Art?«
»Wenn er noch in der Stadt ist, werden wir ihn finden«, antwortete
Andrej ausweichend.
La Valette musste nichts sagen, damit Andrej begriff, dass das nicht
die Antwort war, die er hatte hören wollen. Sein Blick verharrte kurz
auf Andrejs Gesicht, dann wanderte er über seine Kleider und anschließend über die Abu Duns. Sie hatten einen nicht geringen Teil
der letzten Nacht damit zugebracht, die Spuren ihrer Begegnung mit
dem Dämon zu tilgen, aber natürlich war es ihnen nicht vollständig
gelungen. Abu Dun hatte seinen Mantel geflickt und auch Andrej
hatte die Risse in seinem Hemd, so gut es ging, genäht, doch so gut
es ging, bedeutete nicht zwangsläufig gut. Es war ihm auch nicht
gelungen, das Blut vollends aus dem weißen Leinenstoff herauszuwaschen.
»Man könnte fast annehmen, Ihr seid ihm bereits begegnet«, sagte
der Johanniter nachdenklich. »Aber dann wäret entweder Ihr nicht
mehr am leben oder er. In beiden Fällen wäre dieses Gespräch überflüssig, stimmt Ihr mir zu?«
Wusste La Valette, was in der vergangenen Nacht passiert war? Es
war nicht ausgeschlossen, ja, nicht einmal allzu unwahrscheinlich. Es
war närrisch, sich einreden zu wollen, dass niemand etwas von dem
gemerkt hatte, was vor Julias Haus geschehen war. Zweifellos hatte
es Zeugen gegeben, und auch, wenn diese Zeugen nur einen gewöhnlichen, wenn auch erbitterten Kampf zwischen drei Männern beobachtet hatten, so war es doch einigermaßen wahrscheinlich, dass die
Kunde davon an La Valettes oder zumindest Starkeys Ohr gedrungen
war. Der Engländer war nicht nur La Valettes Sekretär und persönlicher Adjutant, sondern verfügte auch über einen ausgezeichnet funktionierenden Spitzeldienst, der seine Augen und Ohren überall in der
Stadt hatte.
»Es fiele uns deutlich leichter, den Attentäter unschädlich zu machen«, sagte Andrej, »wenn wir genau wüssten, womit wir es zu tun
haben.«
La Valette warf ihm einen schrägen Blick zu, doch Starkey
verstand sofort. »In diesem Punkt können wir vielleicht behilflich
sein«, antwortete er.
Andrej sah aus den Augenwinkeln, wie
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