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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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La Valette zusammenfuhr
und gerade noch den Impuls unterdrücken konnte, sich überrascht zu
seinem Sekretär umzudrehen. Auch Abu Duns Stirnrunzeln vertiefte
sich. Keiner der beiden sagte etwas.
»Für die nächsten Stunden stehen noch einige Besprechungen an«,
fuhr Starkey fort, »doch ich würde mich freuen, wenn ich Euch nach
dem Mittagsgebet in der Bibliothek des Ordenshauses empfangen
dürfte.«
Diesmal gelang es La Valette kaum noch, seinen Unmut zu verhehlen. Er sagte jedoch auch weiterhin nichts, sondern deutete nur mit
ausgestrecktem Arm auf die Boote und die emsig beschäftigten
Männer unter ihnen. »Seht Ihr all diese tapferen Männer, Delãny?«,
fragte er. Andrej reagierte nicht, doch damit schien der Johanniter
auch nicht gerechnet zu haben, denn er fuhr nach einer kurzen Pause
fort: »Ihr wisst, wohin sie unterwegs sind? Und welches Schicksal
sie erwartet?«
»Der sichere Tod«, antwortete Abu Dun, bevor Andrej etwas sagen
konnte. Andrej wünschte sich, er hätte das nicht getan. La Valette
schien begriffen zu haben, was der Nubier meinte, denn er drehte
sich langsam zu ihm herum und maß ihn mit einem nachdenklichverächtlichen Blick.
»So wie die Krieger, die Mustafa Pascha gestern sehenden Auges in
das Feuer unserer Geschütze geschickt hat, das wolltet Ihr doch sagen, Heide, nicht wahr?«
»Wer weiß«, erwiderte Abu Dun.
»Ihr könnt ruhig offen reden, mein Freund«, sagte La Valette. »Mir
ist klar, dass all diesen tapferen Männern am Ende kein anderes
Schicksal bevorsteht. Und doch gibt es einen großen Unterschied.«
»Ich wusste gar nicht, dass es unterschiedliche Arten gibt, tot zu
sein«, antwortete Abu Dun.
La Valette lächelte freudlos. »Es gibt sehr wohl einen Unterschied,
mein Freund«, sagte er. »Euch mag er gering erscheinen, und doch
ändert er alles. Diese Männer dort wissen, was ihnen bevorsteht,
doch sie gehen freiwillig und leichten Herzens. Denn ihr Tod hat
einen Sinn. Das Schicksal all dieser unglückseligen Männer gestern
hatte nur den einen Zweck: uns zu demonstrieren, wozu Mustafa
Pascha fähig und wie weit zu gehen er bereit ist. Der Tod dieser
Männer rettet vielleicht unzählige Leben hier in der Stadt.«
Andrej fragte sich, warum La Valette ihnen das erzählte - zumal
man diesen Gedanken durchaus noch einen Schritt weiter verfolgen
und argumentieren könnte, dass sein eigener Tod (oder auch nur seine Kapitulation) vermutlich noch weitaus mehr Menschenleben auf
beiden Seiten retten würde.
Starkey räusperte sich. »Verzeiht, Bruder«, sagte er, »aber ich muss
Euch an das Gespräch mit dem Gesandten des maltesischen Adels
erinnern. Er wartet sicher schon. Und Euch…« Er wandte sich direkt
an Andrej. »… erwarte ich nach dem Mittagsgebet im Ordenshaus.«
Er zögerte einen Moment, dann fügte er hinzu: »Allein.«
La Valette und er wandten sich zum Gehen, doch Andrej rief sie
noch einmal zurück. »Wir brauchen ein Quartier für Abu Dun«, sagte
er.
»Aber ist er denn nicht…?« Starkey blinzelte überrascht, dann nickte er. »Ich verstehe. Die holde Weiblichkeit. Immer suchen sie sich
den schlechtesten Moment aus, nicht wahr?« Er lächelte verständnisvoll und schien zu erwarten, dass Abu Dun oder Andrej auf seinen
scherzhaften Ton eingingen, doch was er in den Augen des Nubiers
las, ließ sein Lächeln erlöschen. Leiser und in ernsterem Tonfall fügte er hinzu: »Ich kann Euch keinen Unterschlupf im Ordenshaus gewähren, mein Freund, so gerne ich es auch täte. Doch ich will sehen,
was sich machen lässt. Dann nehme ich an, Ihr werdet auch nicht zu
der jungen Witwe zurückkehren, um dabei zu sein, wenn sie ihren
Sohn wieder in die Arme schließt?«
»Das wäre augenblicklich nicht angebracht«, sagte Andrej.
»Ich verstehe.« Starkey machte ein betrübtes Gesicht, schien aber
auch verwirrt. »Ihr seid ein rätselhafter Mann, Abu Dun. Es gelingt
Euch tatsächlich immer wieder, mich zu überraschen.«
»Wieso?«, fragte Andrej.
Abu Dun schwieg beharrlich weiter.
»Nun«, antwortete Starkey, »aus Euren Worten schließe ich, dass
Euer Freund nicht mehr mit dieser jungen Witwe zusammenlebt.
Und dennoch ist er bereit, sein Leben zu riskieren, damit ihr Sohn
freikommt. Nicht jeder an seiner Stelle würde das tun.« Er seufzte
und hob abwehrend die Hand, als Andrej antworten wollte. Vielleicht
erwartete er einen Vorwurf in der Art: So wenig, wie jeder ein Kind
als Geisel nähme, um seine Ziele zu erreichen. »Was das

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