Der Gejagte
vollführte die Kette
kreisende, klirrende Bewegungen, als er sie blitzartig um die strampelnden Beine des Dämons wickelte und abermals zuzog. Bald lag
das Monstrum hilflos, zischend vor Wut und sich windend wie ein
grotesker, übergroßer Wurm am Boden.
Abu Dun ließ sich stöhnend zur Seite kippen. Ohne das Ende der
Kette, das er noch immer in der Hand hielt, loszulassen, kroch er zu
dem Stapel mit Dingen hin, die Pepe am Nachmittag für ihn bereitgelegt hatte. Als er zurückkam, hielt er das größte und massivste
Schloss in der Hand, das Andrej je gesehen hatte. Der Dämon, der
endlich begriffen hatte, was Abu Dun plante, bäumte sich mit aller
Gewalt auf und um ein Haar wäre es ihm gelungen, seine Fesseln zu
sprengen. Aber Abu Dun ließ das nicht zu. Rücksichtslos warf er sich
mit seinem gesamten Körpergewicht auf den Vampyr, presste ihn zu
Boden und ignorierte die wütenden Kopf- und Kniestöße, mit denen
der Dämon ihn malträtierte und die jeden menschlichen Gegner auf
der Stelle getötet hätten. Ganz im Gegenteil mobilisierte er noch
einmal all seine Kräfte, zog die Enden der Kette enger zusammen
und ließ das schwere Vorhängeschloss einschnappen. Dann rollte er
sich mit einem erschöpften Keuchen von seinem Gegner herunter,
fiel auf den Rücken und schloss stöhnend die Augen.
Behutsam trat Andrej näher, das Schwert in der rechten Hand, obwohl er wusste, wie wenig ihm die Waffe gegen diese Kreatur helfen
würde, sollte es ihr gelingen, ihre Fesseln abzustreifen. Und er zweifelte nicht daran, dass es ihr gelingen würde. Zwar hatte der Dämon
aufgehört, sich gegen die Ketten zu stemmen, mit denen ihn Abu
Dun gebunden hatte, aber die Bestie war noch längst nicht besiegt.
Andrej dachte schaudernd daran, wie der Dämon am Nachmittag aus
seinem Klammergriff entkommen war.
»Das wird nicht lange halten«, sagte er.
Abu Dun öffnete mit sichtlicher Mühe die Augen und sah erst ihn,
dann den reglos daliegenden Vampyr an. Er wälzte sich stöhnend so
weit herum, dass er sich auf Hände und Knie erheben konnte. Die
Wunden, die der Dämon ihm zugefügt hatte, bluteten noch immer
heftig und Andrej sah, dass der Nubier vor Schwäche zitterte. Dennoch stemmte er sich weiter in die Höhe.
»Das… das muss es auch… nicht«, presste er mühsam hervor.
»Hilf mir.«
Andrej legte das Schwert zu Boden und sah Abu Dun fragend an.
Irgendwie brachte es der Nubier fertig, sich in eine hockende Position zu erheben, beugte sich vor und schob die Arme unter den gefesselten Dämon. Das Ungeheuer schien zu begreifen, was Abu Dun
vorhatte, denn es begann sich heftig zu wehren. Sein Körper wand
sich und zuckte unter den Ketten wie der einer Raupe. Es konnte nur
mehr Augenblicke dauern, bis es ihm auf diese Weise gelingen würde, seine Fesseln zu lockern.
Doch so viel Zeit gab Abu Dun ihm nicht. Obwohl er vor Schmerz
und Erschöpfung halb bewusstlos war, richtete er sich auf, trug den
tobenden Dämon auf den Armen zum gegenüberliegenden Rand der
Turmplattform - und warf ihn im hohen Bogen in die Tiefe. Die
Dunkelheit hatte ihn bereits aufgesogen, als Andrej neben Abu Dun
ankam, doch er hörte das Geräusch, mit dem der Körper des Ungeheuers sechzig Fuß tiefer auf den Klippen aufschlug und gleich anschließend das schwere Platschen, mit dem er weitere sechzig Fuß
tiefer ins Meer tauchte.
Abu Dun sank mit einem erschöpften Keuchen auf die Knie. Er
musste sich an der Wand festhalten, um nicht gänzlich zusammenzubrechen. Die furchtbaren Verletzungen, die ihm der Dämon zugefügt
hatte, hörten allmählich auf zu bluten, doch Andrej ahnte, was der
Nubier durchmachte. Vermutlich würde es Stunden dauern, bis er
sich vollends erholt hatte.
»Ist er… untergegangen?«, fragte Abu Dun mit einer Stimme, die
so schwach und zittrig war, dass Andrej nicht erst hinsehen musste,
um zu wissen, dass sein Freund mit aller Macht gegen die Bewusstlosigkeit ankämpfte.
»Ja«, sagte er.
»Das ist gut«, seufzte Abu Dun. »Dann kann ich nur hoffen, dass
die… Ketten so stabil sind, wie mir… dein Freund versprochen hat.«
»Und was soll das nutzen?«, fragte Andrej traurig. »Er wird trotzdem nicht lange brauchen, um sich zu befreien.«
Abu Dun versuchte zu lachen. Es wurde zwar nur ein gequältes,
würgendes Husten daraus, doch über sein verunstaltetes Gesicht
zuckte die Andeutung eines spöttischen Lächelns. »Kaum«, antwortete er. »Hast du unsere letzte Schiffsreise vergessen,
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