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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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muskulösen
Sklaven, deren ebenholzschwarze, nackte Oberkörper in der Morgensonne glänzten, bewegten sich im Laufschritt, was die Sänfte trotz
aller Vorsicht heftig hin und her schaukeln ließ.
»Da hat es aber jemand ziemlich eilig«, murmelte Abu Dun. Auch
er hatte die Sänfte bemerkt und sah nun stirnrunzelnd auf Andrej
herab. Sein Grinsen war erloschen. Er musste die Präsenz eines anderen Unsterblichen ebenso deutlich spüren wie Andrej.
»Was…?«
»Nicht jetzt«, sagte Andrej hastig. Er machte eine Kopfbewegung
in die Richtung der drei anderen Männer. »Sie sollen sich beeilen!«
Abu Dun verschwendete keine weitere Zeit mit überflüssigen Fragen, sondern wandte sich in befehlendem Ton an die Seeleute, die
zwar mürrisch, aber gehorsam an die Arbeit gingen. Sie näherten
sich der Hafenausfahrt nun noch schneller.
Unglückseligerweise nicht schnell genug. Die Sänfte hatte zwar einen deutlich längeren Weg zurückzulegen, bewegte sich aber über
festen Boden, und die berittenen Janitscharen scheuchten rücksichtslos jeden beiseite, der im Wege stand. Als das Boot auf die Hafenausfahrt zuglitt, hatte die Sänfte das Ende des Kais bereits erreicht
und angehalten. Sie waren jetzt nahe genug, um Andrej die Gesichter
der Männer unter den weißen Turbanen erkennen zu lassen.
»Was geht da vor?«, murmelte Abu Dun. Seine Augen waren zu
schmalen, misstrauischen Schlitzen geworden. Der rote Samtvorhang, der das Innere der Sänfte verhüllte, wurde beiseite gezogen
und ein in weiße Seide gehüllter Arm sichtbar. Eine schmale Hand
wies mit einer Geste auf Andrej und das Boot herüber, an deren Bedeutung es keinen Zweifel geben konnte.
» Verdammt!«, keuchte Abu Dun.
Andrej hätte es kaum treffender ausdrücken können. Die harmlose
Geste ließ die Soldaten auseinander sprengen wie eine Schar Hühner.
Alles ging unglaublich schnell: Mehr als ein halbes Dutzend Janitscharen hielt mit einem Mal wie durch Zauberei klobige Hakenbüchsen in den Händen, die sie schon vorher geladen und schussbereit
gemacht haben mussten, und noch bevor die ersten Schüsse fielen
und sich weiße Rauchwölkchen vor den Gesichtern der Männer zu
kräuseln begannen, wurden etliche Speere und sogar Messer in ihre
Richtung geschleudert.
Keines der Wurfgeschosse kam auch nur in ihre Nähe, aber dicht
vor der Bordwand spritzte das Wasser auf. Etwas fuhr mit einem
dumpfen Geräusch nur Zentimeter neben Andrejs Hand in die Reling
und riss Splitter aus dem Holz. Abu Dun ließ sich hastig auf die Knie
fallen, und auch die drei Schmuggler duckten sich entsetzt und begannen, lautstark zu lamentieren und zu schreien. Keine der Bleikugeln richtete nennenswerten Schaden an, aber sie befanden sich eindeutig in Schussweite, und Andrej war sicher, dass die zweite Salve
besser gezielt sein würde.
»Fahrt!«, brüllte er. »Schneller!«
Niemand an Bord rührte sich, aber einer der Offiziere am Ufer riss
sein Pferd herum und sprengte den Weg zurück, den er gekommen
war. Ein anderer hob beide Arme und begann ausholend zu gestikulieren. Andrej hatte eine ziemlich konkrete Vorstellung davon, was
diese Zeichen bedeuteten.
»Fahrt!«, schrie er noch einmal. »Worauf wartet ihr? Sie ziehen die
Kette wieder hoch!«
Die Schmuggler bewegten sich nicht. Sie hockten zusammengekauert im Boot - prachtvolle Zielscheiben für die nächste Salve, dachte
Andrej verächtlich. Einer der Schmuggler schrie etwas, worauf Abu
Dun mit sich überschlagender Stimme antwortete und drohend die
Hand zur Faust ballte.
»Sie weigern sich weiterzufahren«, keuchte er. »Sie sagen, dass sie
uns ausliefern müssen.«
Andrej hatte nichts anderes erwartet. Mit so etwas musste man bei
Männern wie diesen rechnen.
»Ich werde einem von ihnen den Kopf abreißen, das wird die anderen schon zur Vernunft bringen«, grollte Abu Dun und stemmte sich
in die Höhe, als ob er seine Ankündigung auf der Stelle in die Tat
umsetzen wollte.
Andrej hielt ihn mit einer raschen Handbewegung zurück. »Sag ihnen die Wahrheit«, forderte er seinen Freund auf.
Abu Dun riss ungläubig die Augen auf. »Wie?«
»Sag ihnen, dass wir christliche Spione sind und dass der Sultan
persönlich nach uns suchen lässt«, bestätigte Andrej. »Und dass wir,
sollte man uns ergreifen, behaupten werden, sie wären unsere Komplizen und von Anfang an in alles eingeweiht gewesen.«
Abu Dun blinzelte verblüfft. Es war nicht nötig, diese Worte zu übersetzen. Die Schmuggler starrten Andrej einen

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