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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Herzschlag lang
hasserfüllt an. Dann sprangen sie auf und machten sich hastig wieder
an die Arbeit.
Offensichtlich hatten sie von Anfang an jedes Wort verstanden, das
Andrej und der Nubier gewechselt hatten, aber auch das überraschte
Andrej nicht mehr. Sie würden die drei Männer töten müssen, dachte
er bedrückt. Sie hatten keine andere Wahl.
Der einzelne Reiter hatte mittlerweile sein Ziel erreicht, den Punkt
an der Kaimauer, der der Galeasse am nächsten war. Mit einem brutalen Ruck brachte er sein Pferd zum Stehen, richtete sich im Sattel
auf und bildete mit den Händen einen Trichter, um dem Steuermann
des mächtigen Kriegsschiffes etwas zuzuschreien. Das Wasser
schäumte auf, als die Ruderer ihren Takt änderten und das große
Schiff beizudrehen begann. Der tödliche Rammsporn deutete nun
direkt auf ihr Boot. Die Galeasse beschleunigte auf geradezu unheimliche Weise.
»Schneller!«, schrie Andrej. »Im Namen Gottes… schneller!«
Wieder krachten die Gewehre der Janitscharen. Auch diese Salve
verfehlte ihr Ziel, aber etliche Kugeln fetzten Holzsplitter aus dem
Deck. Das Segel hatte plötzlich ein faustgroßes Loch, nur eine
Handbreit neben dem Kopf eines der Schmuggler. Der Mann begann
zu jammern, als hätte die Kugel ihn getroffen, zerrte aber gleichzeitig
wie besessen an Tauen und Seilen. Andrej spürte, wie das Boot abermals an Geschwindigkeit gewann. Sie schossen der Hafenausfahrt
entgegen.
Doch auch die Galeasse wurde immer schneller. Sie bot einen albtraumartigen Anblick: Die Ruder bewegten sich in einem sonderbaren, wellenförmigen Takt, was dem Schiff das Aussehen eines riesigen Käfers verlieh, der auf zahllosen starren Beinen übers Wasser
lief.
Abu Dun fluchte, riss die Hakenbüchse unter der Plane hervor und
schoss, ohne länger als einen Herzschlag lang gezielt zu haben. Was
glaubt er, damit erreichen zu können?, dachte Andrej verwirrt. Bildete er sich etwa ein, diesen Koloss von Kriegsschiff mit einer Gewehrkugel versenken zu können?
Dann sah er etwas, das ihm noch viel unglaublicher erschien als das
bizarre Wendemanöver der Galeasse: Der Steuermann des Kriegsschiffes bäumte sich auf und sank dann über seinem Ruder zusammen. Abu Dun hatte keineswegs blindlings und aus reiner Panik gefeuert, wie Andrej angenommen hatte. Er war ein ausgezeichneter
Schütze!
»Du hast mir dringend ein paar Fragen zu beantworten, mein
Freund«, murmelte er.
Abu Dun grinste breit. »Gerne, mein Freund. Ich hoffe inständig,
dass wir noch Gelegenheit dazu haben werden.«
Vielleicht hatten sie ja tatsächlich eine Chance, dachte Andrej verzweifelt. Die Janitscharen schossen nach wie vor in unregelmäßigen
Abständen, aber das Fischerboot wurde immer schneller, und die
Kugeln klatschten hinter ihnen ins Wasser. So sehr die Galeasse auch
an Tempo zunahm, sie holte das kleine Boot nicht ein.
Kaum hatte Andrej neue Hoffnung geschöpft, erblickte er eine weitere, vielleicht noch größere Gefahr.
Ganz wie er vorausgesehen hatte, begann sich die schwere Kette
wieder aus dem Wasser zu heben. Trotz ihrer enormen Größe und
des unvorstellbaren Gewichts dauerte es nicht lange, bis an den Seiten der Ausfahrt die rostigen Glieder aus dem Wasser auftauchten.
Noch einige Augenblicke und sie saßen endgültig in der Falle. Aber
auch die Schmuggler hatten die neuerliche Gefahr bemerkt. Andrejs
Drohung schien gefruchtet zu haben. Sie taten instinktiv das einzig
Richtige: Der Bug des Bootes schwenkte herum, sodass sie Kurs auf
die Mitte der Ausfahrt nahmen, die Stelle, an der die Kette noch am
weitesten im Wasser hing.
Es war ein Wettrennen gegen die Zeit, das sie um Haaresbreite gewannen. Plötzlich war die Hafenausfahrt nicht mehr vor, sondern
neben ihnen. Etwas schrammte mit einem hässlichen Geräusch unter
dem Rumpf des Bootes entlang. Das Boot schien sich aufzubäumen
und sich aus dem Wasser heben zu wollen. Dann legte es sich auf die
Seite, rumpelte mit einem grauenhaften Laut über das unter Wasser
verborgene Hindernis und fiel mit einem lautstarken Platscher wieder
ins Wasser zurück. Der Ruck riss Andrej, Abu Dun und auch einen
der Schmuggler von den Füßen, aber sie hatten es geschafft! Hinter
ihnen, zum Greifen nahe, stieg die gewaltige Kette weiter aus dem
Wasser.
Und dahinter wiederum raste die Galeasse heran.
Nicht nur Andrej sah die Katastrophe kommen. Auch an Bord der
Galeasse brach panische Aktivität aus, während die Männer versuchten, den Kurs des Schiffes im

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