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Der Gejagte

Der Gejagte

Titel: Der Gejagte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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wegen etwas, das ich getan habe. Also lass es mich auch zu Ende
bringen.«
Abu Dun lachte ungläubig. »Du hattest schon immer eine Schwäche für dramatische Auftritte und große Worte, Hexenmeister«, sagte
er. »Aber du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich im Stich lasse.«
»Davon kann nicht die Rede sein«, beharrte Andrej. Seine Stimme
wurde leiser, eindringlicher. »Wenn du nicht auf deine Vernunft
hörst, Abu Dun, dann bitte ich dich. Nicht um meinetwillen und nicht
um deinetwillen, sondern um Julias und ihres Sohnes willen.«
Abu Dun fuhr zusammen, in seinen Augen blitzte es - ein Ausdruck
von Ärger erschien darin, der Andrej verriet, dass er auf dem richtigen Wege war.
»Diese Frau bedeutet dir viel, nicht wahr?«, fuhr er fort. »Ebenso
wie der Junge. Geh zu ihr. Tu das, was du ihr schuldig bist, und beschütze sie. Bring sie fort von dieser Insel, an irgendeinen Ort weit
weg von diesem verdammten Krieg und weit weg von mir. Ich bringe nur Unglück, Abu Dun, hast du das immer noch nicht verstanden?«
Abu Dun versuchte zu lachen, doch es misslang. »Du hast nicht nur
eine Vorliebe für dramatische Auftritte, Hexenmeister«, sagte er, »du
bist anscheinend auch noch größenwahnsinnig. Gleich wirst du mir
erzählen, dass der Sultan diesen ganzen Angriff nur plant, um sich
deiner zu bemächtigen.«
»Wer weiß«, antwortete Andrej. Abu Dun verzog abfällig die Lippen, doch Andrej hob rasch die Hand und fuhr in nachdenklicherem
Ton fort: »Vielleicht hat ihm jemand eingeflüstert, dass Malta ein
reifer Apfel ist, der schon längst hätte gepflückt werden sollen. Jemand, der nicht nur mit Worten umzugehen, sondern auch die Gedanken seines Gegenübers zu verwirren weiß.« Er schüttelte den
Kopf. »Aber wahrscheinlich hast du Recht und ich übertreibe jetzt.
Das ändert aber nichts daran, dass diese Kreatur hier ist, und wir wissen beide, warum.«
»Dann sollten wir sie suchen und vernichten«, sagte Abu Dun.
Andrej hatte nichts anderes erwartet. »Ich«, verbesserte er ihn. »Ich
sollte sie suchen und vernichten oder mich ihr wenigstens zum
Kampf stellen.«
»Du willst allein weitermachen?«, fragte Abu Dun grinsend und
reckte die Schultern. »Dann wirst du mich vorher umbringen müssen,
Hexenmeister.«
Andrej seufzte. »Abu Dun«, sagte er, »du weißt genau, dass ich das
niemals tun würde«, und schlug dem Nubier die linke Faust mit aller
Gewalt in den Leib. Abu Dun ächzte und kippte nach vorn. Andrej
riss sein Knie in die Höhe und rammte es seinem Gefährten mit aller
Kraft in das Gesicht, sodass dieser zurückgeschleudert wurde und
mit hilflos rudernden Armen so heftig gegen einen Felsen prallte,
dass sein Hinterkopf mit einem lauten Knall gegen den Stein schlug.
Abu Dun verdrehte keuchend die Augen und sank zur Seite. Blut lief
aus seinem Mund und seiner Nase. Der Säbel entglitt seinen plötzlich
kraftlos gewordenen Fingern und fiel zu Boden.
Andrej wartete nicht ab, was weiter geschah. Er hatte Abu Dun überrumpelt, aber der Nubier würde nur wenige Augenblicke brauchen, um sich von dem Hieb zu erholen, wieder auf die Füße zu
kommen und sehr wütend zu werden. Andrej wusste, dass er in einem fairen Kampf ohne Waffen nicht die geringste Chance gegen
den nubischen Riesen hatte.
Doch das brauchte er auch nicht. Er kletterte in Windeseile den
gleichen Weg wieder hinauf, den Abu Dun und er vor wenigen Minuten herabgekommen waren. Als er den schmalen Pfad erreichte,
auf dem sie ihre Pferde zurückgelassen hatten, hörte er bereits Abu
Duns aufgebrachtes Gebrüll unter sich. Er musste sich nicht erst umdrehen, um zu wissen, dass der Nubier damit begonnen hatte, auf
dem schnellsten Weg hinter ihm herzuklettern. Abu Duns Größe und
Massigkeit hatten schon so manchen Mann darüber hinweggetäuscht,
wie behände sich dieser vermeintlich plumpe Gigant bewegen konnte. Als sie sich das erste Mal getroffen hatten, hätte dieser Irrtum
Andrej um ein Haar das Leben gekostet, doch Andrej wusste es mittlerweile besser.
Keuchend vor Anstrengung erreichte er sein Pferd, sprang in den
Sattel und zwang das Tier mit einer brutalen Bewegung auf der Stelle
herum. Der Hengst scheute, als er auf dem wenig mehr als eine Armeslänge messenden Weg wenden musste und sich unter seinen Hufen kleine Stein- und Schuttlawinen lösten, die polternd in der Tiefe
verschwanden. Einen Atemzug später drangen wütende Schreie zu
ihm herauf, die bewiesen, dass nicht wenige der gemeinen kleinen

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