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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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sind die alten, zuverlässigen B.A.-Leute, nicht die, welche heutzutage in Nairobi ihre Diplome aus der Hand von Männern bekommen, die sich für ganz besonders gebildet halten, nur weil sie ihren wertvollen ausländischen Namen abgelegt haben und sich Wa, Öle, Arap oder Wuodh nennen. Meine Sugar girls haben alle Universitäts- oder Cambridge-Abschluß! Daher sollte Mwireri wa Mukiraai dieses ganze Getue von wegen Diplomen und Bildung sein lassen. Er soll doch mal seine Diplome auf den Markt für Sugar girls tragen (auch auf den Markt, wo es die europäischen und asiatischen Mädchen gibt, mit denen er so angegeben hat), ich komme dann mit meinem BMW auch dorthin, und dann werden wir sehen, wer am Ende die meisten Mädchen gefickt hat.
    Ich würde sogar behaupten, daß zuviel Bildung eine Art Verrücktheit ist. Was hat uns zum Beispiel Mwireri wa Mukiraai da eben erzählt? Daß wir unsere Zeit auf Abfall- und Schrottplätzen verbringen sollten, um altes Blech für den Bau von Matatus zu sammeln? Daß wir auf Eigenständigkeit im zeitgenössischen Raub und Diebstahl bedacht sein sollten? Und wie sollen wir die internationalen Erfahrungen in der Kunst des Stehlens gewinnen? Von den Abfall- und Schrottplätzen der sogenannten maintenance technology ? Mwireri, daß ich nicht lache!
    Ich kann nur noch einmal wiederholen, was andere hier schon gesagt haben: allein die Partnerschaft mit den Ausländern ist für uns profitabel. Die müssen wir stärken. Trotz der Tatsache nun, daß ich keine Matatu-Universitätsdiplome besitze, kam ich vor kurzem auf eine glänzende Idee, die die Qualität unseres Wohlstands beträchtlich verändern könnte. Aber diese Idee kann nur unter Mithilfe der Ausländer verwirklicht werden, denn sie besitzen das knowledge of modern technology. Deshalb bin ich vollkommen mit denen einverstanden, die unablässig die Weißen auffordern, den Technologietransfer zu beschleunigen und uns appropriate technology zu verkaufen.
    Mir liegt nun daran, Ihnen diese glänzende Idee mitzuteilen, damit Sie erkennen können, daß ich der einzige bin, der es verdient, die Krone der Sklaverei zu tragen!
    Die Idee kam mir ganz plötzlich eines Nachts im Schlaf. Mein Herz hüpfte vor Freude, und ich fühlte, daß mir das Geheimnis eines neuen Lebens für uns wohlhabende Leute offenbart worden war.
    Es geschah während des Besuches von Professor Barnard — unser Burenfreund aus Südafrika ist Ihnen ja wohl bekannt. Er sprach damals über Transplantationen menschlicher Organe, und ich war dabei, als er vor den Ärzten am Kenyatta-Krankenhaus einen Vortrag hielt. Damals übermannte mich eine bestimmte Angst, die ich schon mein Leben lang mit mir herumtrage, nämlich: Jedes Mal, wenn ich, Nditika wa Nguunji, meinen vielfältigen Reichtum betrachte, stelle ich mir mit großer Sorge schwerwiegende Fragen: Was besitze ich außer meinem Reichtum als Mensch, das ein Arbeiter oder ein Bauer oder irgendein armer Mann nicht auch hätte? Ich habe einen Mund, genau wie die Armen; ich habe einen Bauch, genau wie die Armen; ich habe ein Herz, genau wie die Armen auch, und ich habe einen … Sie wissen schon, was ich meine - genau so einen wie der ärmste Mann. Ich habe Geld und Besitz, um für tausend Menschen essen zu können, doch ich bin nach einem Teller satt, genau wie andere Leute auch. Ich habe Geld genug, um gleichzeitig hundert Anzüge anzuziehen, aber ich kann heute, wie jeden Tag, nur eine Hose auf einmal anziehen, ein Hemd, eine Jacke, genau wie andere Leute auch. Ich habe Geld genug, um fünfzig Leben zu kaufen, wenn Leben auf dem Markt angeboten würde, aber heute habe ich nur ein einziges Herz und ein einziges Leben, genau wie andere Leute auch. Ich habe Besitz und Geld genug, um jeden Abend mit zehn Mädchen schlafen zu können, aber heutzutage bin ich sogar bei einem einzigen Mädchen schon nach dem ersten Mal erschöpft, und schließlich schlafe ich ein, ohne wirklich befriedigt zu sein.
    Bin ich nun der Besitzer von nur einem Mund, einem Bauch, einem Herzen, einem Leben und einem Penis, dann frage ich mich, worin besteht der Unterschied zwischen Arm und Reich? Zu welchem Zweck beraubt und bestiehlt man dann eigentlich die anderen?
    Da wurde mir offenbar, daß wir in diesem Land eine Fabrikbenötigen, die menschliche Organe wie Herzen, Münder, Bäuche und Penisse herstellt; eine oder zwei Fabriken, sozusagen zur Herstellung von Ersatzteilen für den menschlichen Körper. Dies würde bedeuten, daß von nun an ein

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