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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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daß Ernten und sich der Dinge zu bemächtigen keine schwere Arbeit sei? Nein! Ihr Schwarzen seid solcher aufrührerischen Gedanken nicht fähig! Nein! Ihr Schwarzen seid unfähig, euch Mittel und Wege auszudenken, wie ihr die Stricke, die euch an eure Herren binden, durchschneiden könntet. Deshalb müssen dich die Kommunisten verführt haben … Diese gefährlichen Gedanken können nur von der Partei der Arbeiter und Bauern stammen … Ja … dein Denken ist mit kommunistischen Ideen vergiftet … Kommunismus … Du bist zu einer echten Bedrohung für den Frieden und die Stabilität geworden, die es einstmals in diesem Lande für mich gab, und für meine hiesigen Vertreter, die Aufpasser über meinen Besitz … Du wirst soviel Feuer zu sehen bekommen, daß du meinen wahren Namen für immer vergessen wirst. Nehmt ihn fest, ehe er diese giftigen Gedanken den anderen Arbeitern und Bauern weitergibt und ihnen zeigt, daß die Macht ihrer organisierten Einheit stärker ist als alle meine Bomben und Panzerwagen. Nehmt von ihm das wenige, das er hat, und verteilt es unter euch. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, wer aber nicht hat, dem wird auch, was er hat, genommen werden. Das ist das höchste meiner Gebote. Worauf wartet ihr noch? Geht und ruft die Polizei und das Militär, daß sie diesen Mann festnehmen, der die kommunistische Kühnheit besessen hat, sich gegen die Sklaverei aufzulehnen. Werft ihn ins Gefängnis oder übergebt ihn der ewigen Finsternis, so wird die Ernte seiner Familie nur Zähneknirschen und Tränen sein.
    Ausgezeichnet! Ihr habt gute Arbeit geleistet, Leute! Verfahrt ebenso mit allen anderen Rebellen. Schüchtert die Arbeiter ein, damit sie sich ducken und es nicht wagen werden zu streiken und höhere Löhne zu verlangen, oder gar zu den Waffen zu greifen, um die Ketten der Sklaverei zu sprengen.
    Und was euch betrifft, so werde ich euch in der Öffentlichkeit nicht mehr Sklaven oder Knechte nennen. Ihr seid nun wahrhaft meine Freunde. Warum? Selbst nachdem ich euch die Schlüssel zu eurem eigenen Land zurückgegeben hatte, behieltet ihr meine Gebote bei und schütztet meinen Besitz und mehrtet ihn so, daß er eine höhere Gewinnrate abwarf als zu den Zeiten, da ich selbst die Schlüssel in der Hand hielt. Deshalb will ich euch nicht mehr Knechte nennen. Denn ein Knecht weiß nicht um die Gedanken und Absichten seines Herrn. Aber ich habe euch zu meinen Freunden gemacht, weil ihr über alle meine Pläne, die ich für dieses Land habe, Bescheid wißt, und so werde ich es auch in Zukunft halten. Von meinen Einnahmen werde ich euch etwas abgeben — es soll euch Stärkung und Ansporn sein, um denen das Genick zu brechen, die von den ›Massen‹ reden.
    Lang lebe Frieden, Liebe und Einigkeit zwischen uns — zwischen mir und euch, meinen Vertretern hier im Lande! Was soll da Schlechtes daran sein? Ihr beißt zweimal zu und ich beiße viermal, so führen wir die leichtgläubigen Massen hinters Licht … Ein Hoch auf die Stabilität, die zum Fortschrittführt … ein Hoch auf den Fortschritt, der zum Gewinn führt … ein Hoch auf die Ausländer und die ausländischen Fachkräfte …«
2
    Als der Zeremonienmeister sein Gleichnis zu Ende erzählt hatte, erhoben sich alle Diebe und Räuber, die zum Wettbewerb in der Höhle versammelt waren, und spendeten ihm derartigen Beifall, daß das Klatschen fast dem Grollen des Donners gleichkam. Einige schrien beifällig: »Dieser Stiefel paßt wie angegossen, auch ohne Socken!« Andere zupften sich gegenseitig am Hemd oder am Jackenärmel und flüsterten sich zu: »… hast du das gehört — dem, der hat, wird noch mehr gegeben werden … es ist wahr, was er über die Einigkeit zwischen uns und den Ausländern gesagt hat … sie essen das Fleisch und wir nagen die Knochen ab … ein Hund, der einen Knochen hat, ist besser dran als einer, der mit leeren Händen ausgeht … aber vergiß nicht, an dem Knochen ist noch Fleisch dran … Das hier ist der echte afrikanische Sozialismus … Ujamaa wa Asili Kiafrika … kein Sozialismus des blanken Neides, wie bei Nyerere und seinen chinesischen Freunden, kein Ujamaa , wo einer den anderen davon abhält, sich einen Knochen zu holen … wir wollen kein Chinesentum in unserem Land … wir wollen Christentum …«
    Der Zeremonienmeister forderte alle auf, wieder Platz zu nehmen. Lärm und Beifall verebbten. Der Mann sah wohlgenährt aus — er hatte runde und aufgeblasene Backen, die zwei Melonen glichen, seine Augen

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