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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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waren rot und groß wie Pflaumen und sein Hals so dick wie der Stamm eines Baobab-Baumes. Sein Bauch war nur um ein weniges dicker als der Hals. Im Unterkiefer hatte er zwei falsche Zähne aus Gold, und wenn er sprach, bemühte er sich, die Lippen so weit zu öffnen, daß man die goldenen Zähne sehen konnte. Er trug einen seidenen Anzug, der im Licht aufglänzte; je nachdem, wie intensiv und in welchem Winkel die Strahlen des elektrischen Lichtes auf ihn fielen, schillerte er in vielen Farben. Der Zeremonienmeister gab nun die Einzelheiten des Wettbewerbs bekannt.
    »Jeder, der am Wettbewerb teilnimmt, muß hierher auf das Podium kommen. Er wird uns mitteilen, was ihn zum Raubenund Stehlen gebracht hat, und wo er geraubt und gestohlen hat; dann wird er uns kurz seine Vorstellungen über eine weitere Verfeinerung unserer Fertigkeiten im Rauben und Stehlen mitteilen. Auf eines wird jedoch noch größerer Wert gelegt — er muß uns aufzeigen, wie die Partnerschaft zwischen uns und den Ausländern weiter ausgebaut werden kann, damit wir dem Himmel der ausländischen Süßigkeiten und anderen himmlischen Herrlichkeiten näherkommen können. Sie, die Zuhörer, werden das Preisgericht sein, deshalb müssen Sie jedem Redner in dem Maße Beifall spenden, wie Sie sein Bericht über seine Machenschaften in dieser Welt inspiriert hat.
    In meiner Eigenschaft als Vorsitzender der Organisation für Zeitgenössischen Raub und Diebstahl, Ortsverband Ilmorog, möchte ich Sie auf folgendes hinweisen: Unser heutiger Wettbewerb ist der Wetzstein, an dem wir unsere Fänge und Krallen schärfen, so daß wir uns in Frieden und Einigkeit am Reichtum anderer laben können. Sie wissen ja, wie es im Sprichwort heißt: Ist ein Wetzstein am Tor, gibt es im Haus kein stumpfes Messer! Deshalb sollten jene, die verlieren werden, nicht verzweifeln. Sie dürfen nicht aufhören, zu rauben und zu stehlen, und sie sollten von den Gewinnern neue Tricks lernen. Auch den Weisen kann man noch Weisheit lehren. Der Leopard wußte nicht, daß seine Klauen tödlich waren, erst der Hirte hat es ihm beigebracht.
    Ehe ich mich nun setze, möchte ich den Leiter der ausländischen Delegation von der Internationalen Organisation für Diebe und Räuber (IODR), die ihren Sitz in New York, USA, hat, bitten, zu Ihnen zu sprechen. Es ist Ihnen wohl allen bekannt, daß wir uns bereits um die volle Mitgliedschaft bei der IODR beworben haben. Der Besuch dieser Delegation mit den Geschenken und der Krone, die sie uns gebracht haben, ist der Beginn einer noch einträglicheren Zusammenarbeit. Es gibt viele Praktiken, die wir von ihnen lernen können. Wir sollten nie davor zurückschrecken, uns einzugestehen, daß unser Wissen dem der Ausländer unterlegen ist, und wir brauchen uns nicht zu schämen, aus dem ausländischen Brunnen der Weisheit zu schöpfen. So wollen wir als Zeichen des Segens unsere Brust mit Speichel netzen und damit Gott bitten, er möge uns mit seinem Segen für unser Vorhaben überschütten!«
    Der Zeremonienmeister bat nun den Sprecher der ausländischen Delegation der Diebe und Räuber auf das Podium, um das Wortan die versammelten Wettbewerbsteilnehmer zu richten. Der Beifall, der dem Sprecher der ausländischen Delegation zuteil wurde, als er zum Podium ging, war lauter als das Grollen des Donners. Der Zeremonienmeister überließ jetzt das Podium dem Ausländer. Der Delegationssprecher räusperte sich, ehe er seine Ausführungen begann:
    »Ein Engländer sagte als erster: Time is Money — Zeit ist Geld. Auch wir Amerikaner glauben daran — Time is Money. Aus diesem Grunde werde ich Ihre Zeit nicht mit zu langem Reden in Anspruch nehmen. Das Gleichnis, das uns der Zeremonienmeister erzählte, enthielt alle wesentlichen Punkte.
    Wir sind von weither gekommen und stammen aus vielen Ländern: Aus den USA, aus England, Deutschland, Frankreich, aus den skandinavischen Ländern, aus Italien und Japan. Es lohnt sich, hierüber einen Augenblick nachzudenken. Verschiedene Länder, verschiedene Sprache, verschiedene Hautfarbe, verschiedene Religionen — und doch gehören wir alle einer Organisation an, wir haben ein gemeinsames Ziel und einen Glauben — Raub und Diebstahl!
    Wir sind hierher gekommen, weil Sie unsere Freunde sind und Sie über unsere Investitionen hier im Lande wachen. Deshalb fühlen wir uns bei Ihnen sehr zu Hause. Wir haben manche Höhle und manchen Schlupfwinkel der einheimischen Diebe und Räuber besucht und waren hocherfreut über die

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