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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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Muskeln zu zeigen. Es heißt, daß die Erde sich ständig bewegt und nie stehenbleibt. Stetig fließendes Blut ist Leben; hört es auf zu fließen, bedeutet es Tod. Leben herrscht, wenn das Herz schlägt; Tod herrscht, wenn das Herz zu schlagen aufhört. Wir wissen, daß ein Kind im Mutterleib nicht tot geboren wird, wenn es sich bewegt, wenn es spielt. Hören Sie! Der Abend weiß nicht, was der Morgen bringt! Fordern Sie die Massen nicht durch Ihre Angeberei heraus! Noch lebt die Iregi-Generation und ihr rebellischer Geist! Wie sang der Sänger erst kürzlich? Euresgleichen, seht Euch vor, wir waren es, die damals mit Kimaathi gingen!«
    Mwireri wa Mukiraai beachtete kaum, was Wangari und Muturi gesagt hatten. Er begann mit lauter Stimme zu reden, als stünde er mit der offenen Bibel vor dem Altar und predigte einer großen Menschenmenge:
    »Warum wundert ihr euch so sehr?« fragte Mwireri wa Mukiraai. »Habt Ihr nicht das Wort Gottes gelesen? Das Buch des ewigen Lebens, das uns die Missionare gebracht haben? Sind diese Dinge nicht alle in jenem Buch prophezeit worden? Ich sage Euch, wer Augen hat zu sehen, der sehe, und wer Ohren hat zu hören, der höre …«
    Jacinta Wariinga, Gatuiria, Mwaura, Muturi und Wangari waren nun ganz Ohr, damit ihnen nur ja kein einziges Wort entginge.
    Das Matatu Matata Matamu Ford T mit dem Kennzeichen MMM 333 glich jetzt so sehr einer Kirche, daß selbst die Geräusche des Fahrzeugs nicht mehr an die Ohren der Reisenden drangen. Der Wagen zockelte in Richtung Ilmorog über die Trans-Afrika-Straße und brachte sie dem Ort näher, an dem der große Wettbewerb in zeitgenössischem Raub und Diebstahl stattfinden sollte.
    Muturi bemerkte ein Stück Papier, das neben seinem Fuß auf dem Boden lag. Er bückte sich, hob es auf, steckte es in die Tasche und hörte weiterhin aufmerksam zu.
    Mwireri wa Mukiraai senkte die Stimme, er sprach langsam, seine Worte klangen ruhig und leise, als sänge er ein Lied, um ihr Denken und ihre Seele in den Schlaf zu wiegen …
    … Denn das Himmelreich ist gleichwie ein Mensch, der über Land zog, rief seine Knechte und vertraute ihnen seine Habe an; und einem gab er fünf Talente Silber, dem anderen zwei, dem dritten eines …

Viertes Kapitel
1
    Denn das Reich dieser Welt ist gleich einem Herrscher, der voraussah, daß der Tag kommen würde, an dem ihn die aufgebrachten Massen und ihre Freiheitskämpfer zwingen würden, ein gewisses Land zu verlassen. Er war sehr bekümmert und sann über Mittel und Wege nach, seine Güter, die er in jenem Land erworben hatte, zu bewahren; auch suchte er nach Möglichkeiten, wie er seine Herrschaft über die Eingeborenen aufrechterhalten könnte. Was soll ich tun, angesichts der Tatsache, daß diese Leute, über die ich von jeher geherrscht habe, mich jetzt von den Plantagen und Fabriken, die ich ihnen einst weggenommen habe, verjagen wollen? fragte er sich. Felder zu bestellen oder schwere Handarbeit zu verrichten liegt mir heute nicht mehr. Warte ich, bis sie auf mich schießen und mich aus dem Land hinausprügeln, so wird mir dieser Schandfleck stets anhaften — habe ich ihnen denn nicht die haarsträubendsten Geschichten über die unbesiegbare Macht meiner Panzer und Bomben erzählt? Habe ich nicht stets versucht, ihnen klarzumachen, daß die weiße Rasse niemals der schwarzen unterlegen sein wird? Sollten nun die Guerillas den Kampf gewinnen und den Schlüssel zum Land erobern, werde ich nie wieder in den Besitz dieser Plantagen und Industrieanlagen gelangen. Aller Tee, aller Reis, aller Kaffee, alle Baumwolle und Edelsteine, alle Hotels, Läden und Fabriken, alle Früchte ihres wertvollen Schweißes — all das und noch mehr, wird für mich auf immer verloren sein. Eines Tages werde ich dieses Land durch die Vordertür verlassen und in mein eigenes Land zurückkehren — nun weiß ich jedoch, was ich tun werde, damit ich zurückkommen und das Land durch die Hintertür wieder betreten kann, damit ich willkommen geheißen werde und tiefer reichende und fester gründende Wurzeln schlagen kann als je zuvor.
    Er rief seine treuen Sklaven und Knechte zu sich. Er lehrte sie alle Ränke und Machenschaften dieser Welt, und insbesondere lehrte er sie, Raub und Diebstahl mit den süßesten Düften zu umhüllen, Gift in zuckrige Blätter zu verpacken und noch vielesmehr. Alles mit dem Ziel, durch Bestechung und durch Betonung der Stammes- und Religionsunterschiede Spaltung und Uneinigkeit zu säen. Nachdem er seine

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