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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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Vorbereitungen abgeschlossen hatte, ließ er sie wissen, daß er demnächst nach Hause, in ein anderes Land, reisen würde.
    Als sie hörten, daß ihr Herr und Meister sie verlassen wollte, zerrissen die treuen Sklaven und Knechte ihre Kleider, streuten sich Asche aufs Haupt, knieten nieder und schrien: Warum gehst du fort von hier und läßt uns als arme Waisen zurück? Du weißt sehr wohl, daß wir in deinem Namen die Menschen verfolgt und viele Verbrechen begangen haben. Hast du nicht geschworen, daß du dieses Land niemals verlassen würdest? Wie kannst du uns nun auf Gnade und Ungnade den nationalistischen Freiheitskämpfern ausliefern?
    Und der Herr, ihr Meister, sprach zu ihnen: Ihr Kleingläubigen! Bekümmert eure Herzen nicht, denn ihr glaubt an den Gott, den ich euch einst verkündet habe; glaubt nun auch an mich, den Verkünder seines Willens. Ich kenne viele Mittel und Wege, um meine Wünsche in diesem Land erfüllt zu sehen. Wäre dem nicht so, so hätte ich es euch wissen lassen, damit ihr Zeit gehabt hättet zu fliehen oder euch Stricke zu besorgen, um euch zu erhängen, ehe die Patrioten Hand an euch gelegt hätten. Aber nun will ich euch Plätze bereiten, die euch zur Führerschaft befähigen werden; ich will den Brocken, die für euch von meinem Tische gefallen sind, noch ein Weniges mehr hinzufügen. Und nachdem ich gegangen bin, werde ich zurückkehren, und ich werde viel Geld und viele Banken mit mir bringen, dazu eine Vielzahl von Panzern, Gewehren, Bomben und Flugzeugen, und ich werde bei euch sein und ihr bei mir, wir werden in beständiger Liebe beieinander wohnen und das Mahl miteinander halten — ich werde ausgewählte Gerichte zu mir nehmen, und ihr könnt euch die wertvollen Überreste aussuchen.
    Und da der Herrscher auszog, um in sein Land heimzukehren, geschah es, daß er wiederum all seine Knechte zu sich rief, und er vertraute ihnen den Schlüssel des Landes an. Alsdann sprach er zu ihnen: Die patriotischen Freiheitskämpfer und die Masse des Volkes in diesem Land werden nun einer Täuschung unterliegen, denn ihr seid ebenso schwarz wie sie. Sie werden singen und sagen: ›Seht, unsere eigenen schwarzen Leute halten nun den Schlüssel zu unserem Land in Händen! Seht, unsere eigenenschwarzen Leute sitzen am Steuer! Für nichts anderes, als daß dies geschehen möge, haben wir gekämpft! Laßt uns die Waffen niederlegen, laßt uns singen und unsere schwarzen Herren loben und preisen.‹
    Dann vertraute er ihnen seinen Besitz und seine Güter an, damit sie sie wohl verwalteten und vermehrten; und einem gab er fünfhunderttausend Shilling, dem anderen zweihunderttausend Shilling und dem dritten einhunderttausend Shilling, einem jeden nach seiner Tüchtigkeit, mit der er dem Herrn gedient, und nach seiner Treue, mit der er dem Glauben und den Vorstellungen des Herrn nachgefolgt war. Und so zog der Herrscher aus und verließ das Land durch die Vordertür.
    Und der Knecht, der fünfhunderttausend Shilling erhalten hatte, zögerte nicht, er ging hin und kaufte zu einem niedrigen Preis bei den Bauern auf dem Lande ein, dann verkaufte er die so erworbene Ware zu einem höheren Preis an die Arbeiter in der Stadt; auf diese Weise erbrachte sein Kapital einen Gewinn von fünfhundertausend Shilling. Der, welcher zweihunderttausend Shilling erhalten hatte, tat desgleichen: Er kaufte billig bei den Herstellern ein und verkaufte teuer an die Verbraucher, und so erzielte er aus seinem Kapital einen Gewinn von zweihunderttausend Shilling.
    Der aber, welcher nur einhunderttausend Shilling erhalten hatte, hielt sich selbst für klug. Er überdachte sein Leben und das Leben der Menschen im ganzen Land und auch das Leben des Herrschers, der eben in ein fremdes Land gezogen war. Und er sprach zu sich: dieser Herr und Meister hat stets damit geprahlt, daß er alleine dieses Land entwickelt habe, und zwar nur mit dem wenigen Geld, das er mitgebracht, und mit dem beständigen Ruf: Kapital, Kapital! Nun will ich sehen, ob dieses Kapital irgend etwas bringt, auch wenn es nicht mit dem Schweiß der Arbeiter begossen wird, und wenn es nicht selbst hingeht und für wenig Geld den Schweiß der Bauern und Arbeiter aufkauft. Bringt es ohne mein Zutun etwas hervor, dann werde ich über alle Zweifel wissen, daß Geld allein ein Land entwickeln kann. Und so ging er hin und legte die einhunderttausend Shilling in eine Büchse, die er sorgfältig verschloß; dann hob er unter einem Bananenbaum ein Loch aus und begrub die

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