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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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Büchse dort.
    Und ehe viele Tage vergangen waren, geschah es, daß der Herr zurückkehrte. Er betrat das Land durch die Hintertür und überprüfte, was aus seinem zurückgelassenen Besitz geworden war. Er rief seine Knechte zu sich, damit sie ihm Rechenschaft über die Güter und das Geld ablegten, das er einem jeden gegeben hatte.
    Da trat hervor der, der die fünfhunderttausend Shilling erhalten hatte, und sagte: »Mein Herr und Meister, du hast mir ein Kapital von fünfhunderttausend Shilling anvertraut. Ich habe es verdoppelt.« Da war sein Herr wahrhaft erstaunt, und er rief aus: »Hundert Prozent Gewinn? Phantastische Profitrate! Du hast wohlgetan, du guter und getreuer Knecht. Du hast bewiesen, daß du über wenigem getreu sein kannst, nun will ich dich über vieles setzen. Gehe ein zu deines Herrn Freude und Wohlstand. Ich ernenne dich zum Direktor der Zweigstellen meiner Banken, hier im Lande, und ich werde dich außerdem zum Direktor einer meiner Gesellschaften ernennen. Du wirst auch einige Aktien dieser Gesellschaft erhalten. Vom heutigen Tage an werde ich mein Gesicht nicht mehr allzuoft zeigen. Du sollst mein Gefolgsmann hier in deinem Lande sein.«
    Und der, der die zweihunderttausend Shilling erhalten hatte, trat hervor und sagte: »Mein Herr und Meister, du hast mir zweihunderttausend Shilling anvertraut. Siehe, mit deinem Kapital habe ich weitere zweihunderttausend Shilling gewonnen.« Und der Herr sprach und sagte: »Großartig, einfach großartig diese steigende Profitrate! Ein sicheres Land für Investitionen. Du hast wohlgetan, du guter und getreuer Knecht. Du hast bewiesen, daß du über wenigem getreu sein kannst, nun will ich dich über vieles setzen. Gehe ein zu deines Herrn Freude und Wohlstand. Ich werde dich zum Verkaufsdirektor der Zweigstellen meiner Versicherungsgesellschaften machen und außerdem zum Direktor der Niederlassungen meiner Industriebetriebe hier im Lande und vieler anderer Gesellschaften, die ich dir noch zeigen werde. Auch du wirst als Anerkennung einige Aktien erhalten. Vom heutigen Tage an werde ich mein Gesicht verbergen. Ich werde mich hinter den Kulissen aufhalten — du aber stehe unter der Tür und am Fenster, so daß dein Gesicht stets allen sichtbar ist. Du sollst der Aufpasser über meine Investitionen in deinem Lande sein.«
    Und der, der die einhunderttausend Shilling erhalten hatte, trat hervor und sagte: »Du Herr und Meister, Angehöriger der Weißen Rasse! Ich habe deine Machenschaften aufgedeckt! Ich habe deinen richtigen Namen erfahren. Imperialist ist dein Name, unddu bist ein sehr grausamer Herrscher. Warum? Du erntest, wo du nicht gesät hast, du greifst nach Dingen, für die du keinen Tropfen Schweiß vergossen hast, du hast dich angemaßt, Güter zu verteilen, an deren Produktion du keinen Anteil hattest. Warum? Nur weil du über Kapital verfügst. Und so bin ich hingegangen und habe dein Geld in der Erde vergraben, um zu sehen, ob sich dein Geld ohne meinen Schweiß oder ohne den Schweiß eines anderen Mannes vermehren würde. Siehe, hier hast du deine einhunderttausend Shilling, genau so, wie du sie hiergelassen hast. Ich gebe dir dein Kapital zurück. Zähle es, und du wirst sehen, daß kein einziger Cent fehlt. Über eines aber habe ich mich am meisten verwundert — mein Schweiß verschaffte mir Nahrung zum Essen, Wasser zum Trinken und ein Dach über dem Kopf zum Schlafen. He! Nie wieder werde ich vor dem leblosen Gott Kapital niederknien! He! Ich werde nicht mehr länger Sklave sein! Meine Augen sind sehend geworden! Reichte ich heute all denen die Hand, die es sich zum Ziel gesetzt haben, Herren ihres eigenen vergossenen Schweißes zu sein, dann wären dem Reichtum, den wir für unser Volk und unser Land hervorbringen könnten, keine Grenzen mehr gesetzt!«
    Der Herr aber schaute ihn mit schmerzerfülltem Herz und mit bitterem Blick an und sprach: »Du böser, ungetreuer und fauler Knecht, Angehöriger einer aufrührerischen Sippe! Du hättest mein Geld zur Bank bringen müssen, oder es den Wechslern übergeben, so hätte ich bei meiner Rückkehr das Meine mit Zins zurückbekommen. Weißt du nicht, welche Schmerzen es mir bereitet, wenn ich erfahren muß, daß du mein Geld wie einen Leichnam begraben hast? Wer hat dir das Geheimnis meines Namens verraten? Wer hat dir geraten, mir untreu zu werden, weil ich ernte, wo ich nicht gesät habe, und weil ich nach Dingen greife, für die ich keinen Schweiß vergossen habe? Wer hat dir gesagt,

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