Der gekreuzigte Teufel
donnernden Lärm der Bomben und Gewehre. Als die britischen Terroristen und ihre treuen kenianischen Wachhunde, die Homeguards — ihr erbärmlichen Versager, um eurer Bäuche willen habt ihr euer Land verkauft — erkannten, daß die Mau Mau-Guerillakämpfer drauf und dran waren, sie zu besiegen, verstärkten sie ihre Folterungen und die Unterdrückung der Arbeiter und Bauern im ganzen Land.
1954 wurde Wariingas Vater festgenommen und ins Lager Manyani gebracht. Ein Jahr danach holte man auch ihre Mutter ab und brachte sie in die Gefängnisse Langata und Kamiti.
Damals war Wariinga erst zwei Jahre alt. Ihre Tante, die in Nakuru lebte, holte sie zu sich. Der Mann der Tante arbeitete bei der Eisenbahn und später bei der Stadtverwaltung von Nakuru. Wariinga wuchs zusammen mit den Kindern ihrer Tante auf.
Früher wohnten sie in der Land Panya Siedlung, als aber der Tag der Unabhängigkeit näher rückte, bezogen sie ein städtisches Haus im Bezirk 58.
Wariinga besuchte die Baharini Grundschule in der Nähe der Shauri Yako Siedlung, ihre Kusine jedoch ging in die von Bondeni, gleich unterhalb des Bezirks 58, nahe bei Majengo und Bondeni. Jeden Tag durchquerte Wariinga Mithoonge, in der Nähe des städtischen Schlachthofes, wo die grasgedeckten Hütten der ganz Armen standen, dann rannte sie durch Bondeni, und vor dem letzten Läuten der Schulglocke stand sie auf ihrem Platz beim morgendlichen Appell. Manchmal nach der Schule, oder an Sonntagen oder auch samstags streiften Wariinga und ihre Kusinen durch Bondeni, neugierig schauten sie den Frauen nach, die auf Männerjagd waren, oder sie sahen Männern zu, die einen Streit mit Messern austrugen. Manchmal besuchten sie alle umliegenden Wohnsiedlungen — Kiziwani, Kaloleni, Kivumbini, Shauri Yako, Ambongorewa, das auch als Somali-Siedlung bekannt war —, nur um dort Menschen, Häuser und Geschäfte zu betrachten. Ab und zu besuchten sie auch Konzerte und Aufführungen in der Menengai-Halle und kostenlose Filmvorführungen in Kamukuunji, und zuweilen unternahmen sie einen Spaziergang — sie wanderten dann die Lake Nakuru Road entlang bis zum Seeufer, um dort die Flamingos und die vielen anderen Vögel zu sehen; oder sie wanderten zur Rennbahn und schauten den Auto- und Motorradrennen zu.
Aber zuzusehen, wie sich Prostituierte um Männer stritten oder wie Betrunkene in die offenen Abwassergräben pißten und sich erbrachen, war keinesfalls Wariingas liebste Beschäftigung — nein, am allerliebsten ging sie zur Kirche um zu beten und sich die Predigten anzuhören. Jeden Sonntag nahm ihre Tante sie mit zur Frühmesse in der Kirche zum Heiligen Rosenkranz. Wariinga war auch dort getauft worden und hatte ihren neuen Namen, Jacinta, bekommen. Eines allerdings versuchte Wariinga tunlichst zu vermeiden — obwohl sich ihre Augen immer wieder dorthin verirrten —, nämlich die Bilder an den Wänden und in den Fenstern der Kirche zum Heiligen Rosenkranz anzusehen. Viele der Bilder zeigten Jesus als Kind in den Armen der Jungfrau Maria, oder sie zeigten Jesus am Kreuz. Aber auf anderen war der Teufel abgebildet; er hatte zwei kuhähnliche Hörner und einen Affenschwanz und tanzte mit einem erhobenen Bein den Tanzdes Bösen, während seine Engel, mit brennenden Mistgabeln bewaffnet, Menschen in einem großen Feuer verbrannten. Die Jungfrau Maria, Jesus und die Engel Gottes waren weiß wie Europäer, aber der Teufel und seine Engel waren schwarz. Nachts hatte Wariinga Alpträume. An Stelle von Jesus am Kreuz sah sie, wie der Teufel gekreuzigt wurde — der Teufel aber hatte eine weiße Haut und sah aus wie dieser fette Europäer, den sie einmal in der Nähe des Rift Valley Sports Club gesehen hatte, und die Menschen, die ihn kreuzigten, trugen zerschlissene Kleider wie die Leute, denen sie oft in Bondeni begegnete; und nach drei Tagen, als er mit dem Tode kämpfte, kamen schwarze Männer mit Anzug und Krawatte und nahmen ihn vom Kreuz ab; dem Leben zurückgegeben, begann er, Wariinga zu verspotten und auszulachen.
Wariingas Eltern wurden 1960 — drei Jahre vor Uhuru — aus der Haft entlassen und mußten bei ihrer Rückkehr feststellen, daß ihr kleines Stück Land in Kaamburu von der Kolonialregierung an die Homeguards verkauft worden war. Sie zogen nach Ilmorog, um dort Weiden, die sie pachten könnten, und eine Unterkunft zu suchen.
Ihre Eltern waren froh, daß Wariinga in Nakuru die Baharini Schule besuchte, und erlaubten ihr deshalb, dort weiterzumachen. Ihr
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