Der gekreuzigte Teufel
wer er ist«, erwiderte Gatuiria schnell. »Es wäre mir nicht recht zu wissen, daß du ihn kennst, denn es könnte sein, daß du mich dafür haßt. Auch wenn du nichts sagen würdest, könnte ich dir nicht mehr in die Augen schauen, denn wenn immer ich dich anblickte, würde ich daran erinnert werden — sie kennt meinen Vater und mich kennt sie auch … Nein … ich trage auch seinen Namen nicht … ich möchte meinen Weg in der Welt alleine machen und seine Fußstapfen für immer verlassen …«
Noch ehe Wariinga irgend etwas darauf erwidern konnte, brachte man ihnen auf einem Brett das in kleine Stücke geschnittene Fleisch, auf das sie gewartet hatten. Dazu gab es eine Schüssel mit einer Soße aus Zwiebeln, scharfem Pfeffer und grünen Nelken.
Schweigend begannen sie das Fleisch zu essen. Viele Dinge gingen Gatuiria durch den Kopf: Erst gestern abend in Mwauras Matatu, zwischen Nyamakima und Ilmorog, habe ich diese Frau kennengelernt und sie dann heute früh noch einmal getroffen — und nun erzähle ich ihr alle Geheimnisse, die ich seit langem im Herzen trage. Haben mich die Vorgänge in der Höhle so weich gemacht?
Wariinga dachte ganz ähnlich — es ist wahrhaft erstaunlich, was mir seit gestern widerfahren ist! Sie rief sich ins Gedächtnis zurück, wie ihr Freund, John Kimwana, sie hatte sitzen lassen; wie Boss
Kihara sie entlassen hatte, weil sie mit ihren Reizen nicht freigiebig gewesen war; wie man sie aus ihrer Wohnung hinausgeworfen und sie einen Drohbrief, unterschrieben von den Devil's Angels , erhalten hatte. Daran denken und nach ihrer Handtasche greifen war eins — sie wollte den Zettel herausholen, um Gatuiria zu zeigen, wie die Reichen ihre Schlägertrupps einsetzten … Sie suchte und suchte und konnte ihn nicht finden. Es macht nichts, sagte sich Wariinga und nahm ihren Gedankengang über Gatuiria und die Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn wieder auf. Warum hat er gesagt, er wolle nicht, daß ich ihn hasse? Denkt er denn, wir würden uns jeden Tag treffen? Meint er, ich sei eine Bereitwillige ?
Gatuirias Stimme, die sich fast wie die Stimme eines Mannes anhörte, der um sich schlägt, um nicht zu ertrinken, weckte sie unvermittelt aus ihren Gedanken.
»Was, ich sollte mich nicht mehr mit unserer Kultur befassen, und statt dessen Partner jener werden, die sich Mittel und Wege ausdenken, wie sie den Armen in winzigen Kalebassen Erde verkaufen können?«
»Sie träumen davon, dem Volk die Luft zu verkaufen, die Gott uns umsonst gegeben hat«, fiel Wariinga ein. »Lilien in die Luft pflanzen, Grenzen damit festlegen und dann verkünden: Von hier bis dort drüben, das ist mein Luftraum!«
»Sie träumen davon, Spatzennester für die Armen zu bauen, damit die Grundbesitzer und die Darlehensbanken große Gewinne einstreichen können!« sagte Gatuiria.
»Sie träumen davon, viele Sugar girls zu besitzen«, fuhr Wariinga mit tränenerstickter Stimme fort. »Sind die sich überhaupt bewußt, wie viele Herzen sie in winzige Stücke zerschlagen haben, wie Tonscherben? Aus wie vielen Körpern sie Ruinen gemacht haben? Wie viele Leben sie in den Staub getreten haben? So sehr, daß ein Mädchen, wenn es seinen Körper betrachtet, nur noch den Aussatz sehen kann, mit dem die Männer sie angesteckt haben. Heutzutage ist eine jugendliche Frau zu einem faulenden Leichnam geworden — die Wärme ihres Körpers zu einem vernichtenden Feuer, in dem ihr Leben verbrennt; ihr Frausein zu einem Grab, in dem ihre Fruchtbarkeit begraben liegt … Wissen die eigentlich, wie viele Mädchen sie dazu getrieben haben, ihre Babies in Latrinen zu werfen, oder sie im Mutterleib zu töten?
Hör zu … wenn eine Frau jung ist, dann hat sie viele wunderschöne Träume von einer Zukunft, in der sie für alle Zeiten mit Mann und Kind in einem eigenen Haus in Frieden leben würde. Einige träumen von den Gipfeln der Bildung, die sie erreichen wollen, und von den großartigen Stellungen, die sie später bekleiden werden; sie träumen von den großen Heldentaten, die sie für ihr Land vollbringen wollen; auch träumen sie von Taten, die spätere Generationen dazu inspirieren würden, ihren ewigen Ruhm zu verkünden: Oh Mutter, du bist zur Heldin geworden für unser Land! Wenn ein Mädchen solche Träume von einer hellen Zukunft voller Heldentaten träumt, sind ihre Brüste noch wie Knospen. Aber warte ab, bis sie sich entfalten und sich zeigen, laß ihre Wangen aufblühen, dann wird es nicht mehr lange dauern, bis
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