Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Einkommen daraus zu erwarten war. Diese Frage konnte er inzwischen selbst beantworten: nichts! Seiner Ansicht nach wirtschafteten die Dörfler nur für den eigenen Bedarf und kamen damit gerade so zurecht. Schließlich war er auf einem Landgut aufgewachsen und kannte die Zeichen von Verfall und Misswirtschaft.
„Sigibert hat mir nahegelegt, mir mein Land selbst anzusehen. Damit bin ich gerade fertig. Lass uns nach Metz zurückkehren. Und hör mit dem Graben auf.“
Langsam richtete sich Pontus auf. „So? Du hast alles gesehen? Das würde mich doch sehr wundern. Und was heißt das, nach Metz zurückzukehren?“
„Wo ist Alexander?“ Wittiges stand auf.
„Irgendwo im Haus“, brummte Pontus.
Wittiges machte sich auf den Weg.
„Warte!“, rief ihm Pontus nach. „Wir sind noch nicht fertig miteinander. Du weißt gar nichts, hörst du? Bleib stehen!“
Wittiges ging unbeirrt weiter. Dieses Geschenk , diese Belohnung Sigiberts für die Rettung seines Lebens war ein schlechter Witz, ein Hohn. Die Stimme des Kanzlisten klang Wittiges wieder im Ohr. Wenn er das Geschenk annahm, hatte er als Erstes Steuern zu entrichten. Wie viel war da in vier Jahren aufgelaufen? Wusste Pontus das? Grimmig suchte er sich einen Weg an Stolpersteinen, Karnickellöchern und Ameisenhaufen vorbei, bis er einen Eingang ins Haus entdeckte: eine in der Mauer klaffende Öffnung, wo sich vielleicht einmal eine Tür befunden hatte. Pontus kam ihm nach, aber er drehte sich nicht nach ihm um. Wittiges durchquerte Räume, in die die Sonne schien, weil das Dach fehlte, warf einen Blick in lange Gänge, die Gebäudeteile miteinander verbanden, sah jede Menge Unrat in Ecken und Winkeln und geriet schließlich in einen Trakt, wo sich einmal eine Badeanlage befunden hatte: eine Reihe kleiner Räume mit eingetieften Becken, marmornen Ruhebänken und hübschen Rundnischen, in denen Statuen gestanden haben mochten. Wittiges stellte sich eine wollüstig nackte Venus oder Nereide vor. Im letzten Raum thronte auf einem flachen Podest eine riesige Badewanne aus grau geädertem Marmor. Alexander beugte sich über den Rand und fischte im Becken herum.
„Alexander, schau, wer uns besuchen kommt“, rief Pontus atemlos vom Laufen.
„Gleich, ich hab den Abfluss fast frei. Da steckt ein Steinchen drin und irgendwelcher Mist, der ...“ Alexander wandte sich in seiner gebückten Haltung um und stockte.
„Lass dich bloß nicht stören“, sagte Wittiges betont lässig. „Und sag mir Bescheid, wann ich das erste Bad nehmen kann.“
Alexander richtete sich auf und lachte schallend. Unwillkürlich musste Wittiges in das Gelächter einstimmen und sah sich gleich darauf herzlich umarmt und geknufft.
Es war einfach schön, wieder beisammen zu sein. Ihm wurde klar, wie sehr sie sich aus den Augen verloren hatten, dort in Metz, an Sigiberts Hof. Aber eine innere Stimme mahnte ihn, einen kühlen Kopf zu behalten und sich nicht von der Begeisterung seiner Freunde anstecken zu lassen. Die Sache musste nüchtern betrachtet und beurteilt werden.
In kindlichem Entzücken führte ihn Alexander herum und wies ihn auf Stellen an den Wänden hin, wo er unter blättrigem Putz Fragmente von Wandmalereien gefunden oder wo er unter dicken Dreckschichten auf Mosaikböden gestoßen war.
„Tauben.“ Er deutete auf eine der vielen Lücken im Dach. „Sie sitzen dort oben und scheißen alles zu. Grässliche Viecher. Pontus jagt sie und wenn er welche erwischt, brät er sie. Magst du Taubenbraten? Für heute Abend haben wir auch ein Karnickel. Pontus hat es in einer Schlinge gefangen.“
Es wurde Abend! An eine Heimkehr vor Einbruch der Dunkelheit war nicht mehr zu denken. „Seid ihr die ganze Zeit schon hier? Wo haust ihr?“
„In einem der ehemaligen Dienerquartiere, das wir uns hergerichtet haben. Dort ist das Dach in Ordnung, und die Tür schließt. Nicht gerade luxuriös, aber uns genügt es für den Anfang. So haben wir Zeit gespart, weil wir nicht täglich hin- und herreiten müssen. Obendrein kostet die Unterkunft nichts.“ In Alexanders Stimme klang etwas durch, was Wittiges vorsichtig machte.
„Tja, vielleicht zeigt ihr mir erst einmal euer Quartier. Ich hab übrigens Wein dabei. Mit euren Tauben und dem Karnickel erwartet uns ein Festessen. Dabei lässt sich über alles reden.“ Der Eifer der beiden rührte ihn. Ein warmes Gefühl von Freundschaft und Geborgenheit durchrieselte ihn, das er lange nicht mehr gespürt hatte.
Die Unterkunft war bescheiden, aber
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