Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
immerhin zu, ohne ihn zu unterbrechen. „War’s das?“, fragte er zum Schluss.
Wittiges nickte beklommen. Anscheinend machte der Mord an einem unschuldigen Jungen keinen Eindruck auf Gogo. Außerdem war Arne nur ein Halbfreier.
„Komm mit“, forderte ihn Gogo knapp auf. Er stürmte durch die Säle und Flure, und ließ sich auf kein Gespräch mit den Männern ein, die ihm hier und da in den Weg traten. Wittiges geriet fast außer Atem, bis sie endlich einen Raum erreicht hatten, in den ihn Gogo eintreten hieß. Der Raum gehörte zur Kanzlei. Einige Männer waren hier versammelt, Gogo steuerte sofort auf einen von ihnen zu, während er Wittiges mit einer raschen Geste an seine Seite winkte.
„Das ist Wittiges, dem wir das Gut des toten Gozbert gegeben haben. Du erinnerst dich an die Fehde? Anscheinend lebt sie gerade wieder auf. Uns ist ein Fehler unterlaufen. Wir hätten damals schon durchgreifen sollen. Wie du weißt, will Sigibert keine Fehden, die gute Männer entweder das Leben oder den Verstand kosten.“ Er wandte sich an Wittiges. „Berichte noch einmal, was du mir erzählt hast.“
Der Mann, der Wittiges zuhörte, war Dux Lupus, der Statthalter der Provinz Reims, der wichtigste Mann nach Gogo. Auch er nahm die Sache so ernst und so dringend wie Gogo selbst. Wittiges war erstaunt, wie ernst sie die Sache nahmen. Am Ende stand fest, dass gleich am nächsten Morgen sowohl Gogo als auch Lupus mit einer bewaffneten Truppe den Mann aufsuchen würden, der vermutlich sowohl für die Versetzung der Grenzsteine auf der Westseite von Wittiges’ Besitz als auch für Arnes Tod verantwortlich war.
Nach dem Abendessen nahm Gogo Wittiges beiseite und befragte ihn eingehend zu den bisherigen Arbeiten auf dem Gut. Irgendwann kamen sie wieder auf die Grenzsteine zu sprechen, und Gogo verhehlte nicht seinen Ärger darüber, dass Wittiges sich deswegen nicht sofort an Dux Lupus gewandt hatte, und erklärte auch, worum es tatsächlich ging: Reims als Königssitz brauchte ein Umland, in dem Gefolgsleute ansässig waren, auf die jederzeit Verlass war. Ein Mann, der die Grenzen zum Nachbarn nicht achtete, war nicht vertrauenswürdig. Wittiges fragte sich kurz, ob das auf Theodo auch zutraf. Aber er wollte nicht über diesen Nachbarn reden. Mit Theodo, das wusste er, würde er allein fertig werden.
Spät und mit schwerem Kopf legte er sich in dem Quartier nieder, das man ihm für die Nacht zugewiesen hatte. Noch immer hatte er keine Ahnung, wie Gogo und Lupus den Mörder überführen wollten. Je angestrengter er darüber nachdachte, desto aussichtsloser erschien ihm das Unterfangen. Es gab ja keine Zeugen der Schandtat.
Sie brachen früh auf, und Wittiges hatte den Eindruck, ein Heer sei aufgeboten worden. Mit Gogo und Lupus führte er den schwer bewaffneten Trupp an, und als sie die Grenze zu seinen Ländereien hinter sich hatten, wurde er noch unruhiger als er zuvor schon war. Denn er bemerkte, wie kritisch Gogo jeden Acker und jede Wiese musterte. Zum Glück kamen sie an einigen frisch gepflügten Feldern vorbei. Auf einem wurde gerade die Saat ausgebracht. Die Sklaven hielten in der Arbeit inne und verneigten sich, bis der Trupp vorüber gezogen war.
Sie ritten zum Gut, um Karl abzuholen, denn er sollte bei der Befragung der mutmaßlichen Mörder dabei sein. Das hatte Wittiges sich ausbedungen. Bei seiner Ankunft verursachte der Kriegertrupp auch hier helle Aufregung. Aus allen Richtungen rannten Menschen herbei und wichen schließlich scheu und verschüchtert zurück. Mancher Blick traf Wittiges, und er erkannte an den Mienen, wie sehr er in der Achtung der Leute stieg. Jetzt sahen sie, dass er kein dahergelaufener Wichtigtuer und Habenichts war. Von Gogo hatte jeder schon gehört, und es erfüllte die Leute unverkennbar mit Ehrfurcht, ihm und dem anderen Großen, Dux Lupus, leibhaftig zu begegnen. Gogo und Lupus begrüßten Aletha als Herrin des Hauses sehr höflich und förmlich, fast schon zeremoniell. Sie ließ sich von dem überraschenden Besuch zumindest äußerlich nicht aus der Ruhe bringen, gab gelassen Befehle und nach einer Weile trugen die Sklaven ein Fass mit frischem Bier herbei, das allen hoch willkommen war.
„Woher hast du das?“, erkundigte sich Wittiges leise.
„Von Nachbar Theodo. Nur gut, dass er es sich hat abschwatzen lassen. Ich ließ ihm ausrichten, dass du sein Bier als das beste gelobt hast, das du je genossen hast. War das falsch? Wir brauchen doch Bier, nachdem uns der Wein
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