Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Ehrenmann auf, der er vielleicht sogar war. Aber aus Gogos und Lupus’ Hartnäckigkeit las Wittiges heraus, dass die beiden einen guten Grund hatten, den Beteuerungen nicht zu glauben. Wer sonst sollte einen Vorteil aus der Grenzverschiebung ziehen? Es war kaum anzunehmen, dass Wittiges selbst sein Land beschnitt, wie Edwin irgendwann mutmaßte. Karl wurde immer grauer, alle Kraft schien ihn verlassen zu haben. Er lebte erst wieder auf, als Gogo den Mord an Arne ins Spiel brachte, aber Edwin stritt jedes Wissen und jede Beteilung ab.
„Dann noch einmal zu den Grenzsteinen“, sagte Gogo schließlich, „die Tat ist bezeugt, aber nicht der Täter. Rachinburger, was sagst du dazu?“
Der kleine Mann hatte ausdruckslos zugehört, manchmal unmerklich genickt und begann nun unverzüglich mit einem weiteren Vortrag. Er ließ keinen Zweifel daran, dass Edwin in seiner Eigenschaft als Grundherr zur Verantwortung zu ziehen sei. Es sei seine Pflicht, über die Grenzen zu wachen. Edwin gab sich empört, wollte aber um des Friedens willen und obwohl er sich keiner persönlichen Schuld bewusst war, einige Solidi Entschädigung für erlittene Unbill an einen Mann zahlen, der feige genug sei, sich hinter Gogos breitem Rücken zu verstecken, statt mutig zu ihm zu kommen und seine Angelegenheiten selbst zu regeln. Edwin wollte Wittiges provozieren, ihn verächtlich machen und herausfordern, das war nur zu deutlich.
Wie sollte er dem begegnen?
Der Mord an Arne würde ungesühnt bleiben, darauf lief es hinaus. Und der Mörder oder Auftraggeber für den Mord saß selbstherrlich und triumphierend vor ihnen. Wittiges fiel nichts ein, um der Auseinandersetzung eine andere Richtung zu geben.
Mit einem perfiden Grinsen hob Edwin den Weinbecher und prostete ihnen zu. „Also, sagt mir, was ich zahlen muss“, bemerkte er gönnerhaft.
Auf einmal waren von draußen Lärm und eine Stimme zu hören, die Wittiges verwundert erkannte.
„Aletha!“
Er stürmte hinaus und geriet in einen Tumult. Aletha war mit Alexander, Barchild und deren Enkelin Viola gekommen. Bevor er noch fragen konnte, was sie hier wollten, stürzte Alexander auf ihn zu. Anscheinend war er der einzige Schutz der Frauen und des Mädchens gegen eine Bande von Rüpeln, die sie umringten und massiv bedrängten. Aber da kamen schon Gogos Männer herbeigeeilt und gemeinsam wehrten sie Edwins Gefolgsleute ab.
Aletha atmete keuchend. „Sie wollten uns nicht hineinlassen.“
„Wieso seid ihr hier?“, herrschte Wittiges Alexander an.
„Ihretwegen.“ Alexander wies auf das Kind, das sich an Barchilds Rock klammerte. „Frag Aletha, sie erklärt es dir.“
Gogo trat aus dem Haus und winkte sie hinein, niemand stellte sich ihnen mehr in den Weg.
„Darf ich sprechen?“, wandte sich Aletha sofort an den Herzog und wartete die Antwort gar nicht ab. „Wir haben es erst herausgefunden, als ihr schon fort wart. Viola hatte letzte Nacht Albträume, aber erst als sie von Arne sprach, haben wir aufgehorcht und sie ausgefragt. Sie hatte Angst, denn sie weiß, dass sie nicht herumstreunen darf. Gestern hat sie ..., sie hat ...“ Alethas Stimme schwankte.
„Was hat sie?“, fragte Gogo erstaunlich behutsam.
Aletha zog die verängstigte Kleine zu sich, kniete sich vor sie hin und strich ihr beruhigend über die Wange. „Erzähl es, hab keine Furcht.“ Sie hielt den Blick Violas fest. „Erzähl ihnen, was du gesehen hast.“
Edwin machte ein Geräusch, Wittiges Kopf fuhr zu ihm herum. Jetzt bloß keine Einmischung!
„Wenn du immer noch glaubst, unschuldig zu sein, hältst du den Mund“, zischte Lupus. Er war neben den Mann getreten und legte ihm die Hand fest auf die Schulter. Edwin presste die Lippen zusammen.
„Viola, erzähl noch einmal, was du uns berichtet hast“, wiederholte Aletha.
„Alles?“ Violas Augen füllten sich mit Tränen.
„Ja, Kleines, alles.“
Nach und nach, unterbrochen von Alethas Nachfragen, erfuhren die Zuhörer eine unglaubliche Geschichte. Viola war Zeugin von Arnes Ermordung gewesen. Sie war schon öfter bei ihm gewesen, denn sie spielte gern mit den Zicklein, die vor einigen Wochen geboren worden waren. Niemand hatte sie bemerkt, als sie über die Wiese gelaufen kam und sich unter die Ziegen mischte. Sie hatte die Reiter gesehen, die erst mit Arne Streit anfingen, ihn dann verfolgten, als er wegrannte, und ihn schließlich einfingen. Auch den Rest hatte sie beobachtet. Das Gesicht der Kleinen wurde starr, und alle konnten sich
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