Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
noch nicht von seiner Überraschung erholt, da zog sie sich entschlossen das Hemd über den Kopf.
„Ich habe dir versprochen, nach der Geburt. Seitdem sind einige Wochen vergangen, das weiß ich, aber ich halte mich an Vereinbarungen.“
Wittiges hatte seine Befriedigung bisher bei den jungen Frauen auf dem Gut gefunden, mit denen er seinen Sklavenbestand aufgestockt hatte. Aletha nicht als Bettgefährtin zu sehen, sondern nur als tüchtige Hausfrau und Kameradin, war ihm so in Fleisch und Blut übergegangen, dass er nun keinen Anfang fand, sich über die eingeübten Hemmungen hinwegzusetzen. Aletha schien verwirrt, als er sich nicht rührte.
„Bin ich dir nicht schön genug?“, fragte sie mit kindlicher Stimme.
Da regte er sich endlich, streckte die Hand aus und strich ihr leicht über die Brust. Sie fühlte sich gut und warm an. Es wurde dann kein großes Erlebnis, vor allem weil er sich zurückhielt, um sie nicht durch ungehemmte Leidenschaft zu verschrecken. Hinterher schmiegte sie sich vertrauensvoll und müde in seinen Arm, und sie schliefen zusammen ein. Endlich fühlte er sich richtig verheiratet.
Einen Tag später fand die Unterredung mit Sigibert statt, an der außer Gogo auch Brunichild teilnahm. Sie sah erholt aus, stellte er erleichtert fest, und eine wehe Zärtlichkeit überkam ihn. Seine einstige Geliebte ließ ihn immer noch nicht gleichgültig. Er hatte sich gefragt, wie es wohl gewesen wäre, wenn ihr Kind gelebt und ihm ähnlich gesehen hätte. Vielleicht waren sie an einer Katastrophe vorbeigeschlittert. Dafür war er dem Schicksal dankbar und um so eher für Sigiberts Aufforderung offen, nach Toledo zu reisen. Er sollte wieder einen Brief überbringen und dem Gerücht über Gailswinthas Heirat nachgehen. Es kam ihm sehr gelegen, im Auftrag und auf Kosten der Krone in den Süden zu reisen, hatte er doch ohnehin vor, neue Edelsteine und Purpur zu besorgen.
In Marseille angekommen, übernachtete er in Josephus’ Haus und wurde wie ein Familienmitglied behandelt. Der alte Grieche war höchst zufrieden mit den Verkäufen und versprach, über seine Kollegen die gewünschten Edelsteine, aber auch Perlen zu besorgen. Den Purpur würde er wie bisher selbst beisteuern. Alles würde bereitliegen, wenn Wittiges von seiner Mission in Toledo zurückkehrte. Mit guten Wünschen bedacht, schiffte er sich ein. Sein Rang als königlicher Kurier erleichterte vieles, vor allem in Toledo. Für seine geheime Aufgabe erneuerte er seine Freundschaft mit Stallmeister Rado. Der behandelte ihn diesmal anders, denn Wittiges war in seiner Achtung offensichtlich gestiegen. Vielleicht trug auch der kurze Bart, den er sich hatte wachsen lassen, zu einem männlicheren Eindruck bei. Rado staunte nicht wenig, als Wittiges ihm von seinem Aufstieg zum Familienvater und Gutsbesitzer erzählte. Nach dieser Eröffnung war Rado gern dazu bereit, ihn mit dem Klatsch am Hof in Toledo vertraut zu machen, und sich nach weiteren Neuigkeiten umzuhorchen. Seine Erkundigungen zerstreuten jeden Zweifel, dass Chilperichs Werbung um die Königstochter Gailswintha Erfolg haben würde. Jetzt, wo er keine andere Königin mehr an seiner Seite hatte, stand dem Abschluss dieses Bündnisses nichts mehr im Wege. Audovera hatte sich zum passenden Zeitpunkt von der Welt zurückgezogen.
Athanagild kränkelte nach wie vor, daher führte sein Bruder Leovigild die Verhandlungen. Einer der Söhne Athanagilds war einer Seuche erlegen, und der andere spielte am Hof so gut wie keine Rolle. Die Macht lag ganz in Händen der jüngeren Brüder des alten Königs.
Auf Josephus’ Wunsch blieb Wittiges länger als beabsichtig in Marseille. Er lernte weitere Händler kennen, die ihn in ihre Häuser einluden und ihn genau wie Josephus als Freund und Bruder behandelten. Wieder gab es weinselige Gelage, gegenseitige Beteuerungen und heilige Eide. Wittiges war froh, als er aufbrechen konnte, und schwor sich, wenigstens zwei Wochen keinen Wein zu trinken, um sich gründlich auszunüchtern.
In Reims traf er sich sofort mit Sigibert, Gogo und Sigiberts Stadthalter der Civitas , Herzog Lupus.
„Wie stehen wir zu Leovigild?“, fragte Gogo nachdenklich, als Wittiges seinen Bericht beendet hatte.
„Nicht so gut wie mit Athanagild“, antwortete Lupus. „Chilperich verfolgt mit dieser Heirat eine besondere Absicht. Aber welche?“
Diese Heirat lag allen wie ein Stein im Magen. Wittiges hatte sich auf der Rückreise selbst ein paar Gedanken darüber gemacht. Er
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