Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
Priscus, stellte ihr einen Armlehnstuhl hin, aber sie lehnte es ab, sich zu setzen. Solange sie stand, mussten auch alle anderen stehen, das hielt die Spannung aufrecht. „Daran zweifle ich nicht, aber das hat mit Gerechtigkeit, wie ich sie verstehe, nichts zu tun.“
„Was dann?“, fragte Sigibert ratlos.
„Ich will, dass du dich an Guntram als den Ältesten der Familie wendest. Er soll der Richter sein. Er muss alles erfahren, und soll einen Richterspruch fällen, dem sich Chilperich unterwirft.“
Wittiges begriff erst nach und nach, was Brunichild forderte. Auch Sigibert merkte, worauf sie aus war. Dafür sprachen sein Zögern und langsames Zurückschrecken. „Du weißt, was das bedeutet?“, fragte er schließlich heiser.
„Ich denke doch“, antwortete Brunichild ruhig. „Und bis dieser Schiedsspruch vorliegt, werde ich zum Zeichen der Trauer und der ungesühnte Schuld Schwarz tragen. Das bin ich meiner Schwester schuldig.“
Chilperich sollte als heimtückischer Meuchelmörder angeprangert, und seine Tat öffentlich gemacht werden. Das würde das Ansehen des Frankenkönigtums beschädigen. Es würde auch Sigibert und Guntram treffen. Es traf alle. Das war die bittere Wahrheit. Brunichild nahm das in Kauf. Sie würde nicht nachgeben, das war so offensichtlich, wie ihr Auftreten eindrucksvoll war. Und Sigibert gab klein bei. Er nickte.
„Dann soll es so geschehen. Wittiges, du reist nach Lyon zurück und übergibst Guntram die entsprechenden Schreiben und handelst als unser Bevollmächtigter.“ Sigiberts Augen bohrten sich in die von Wittiges. Der König barst schier vor Zorn, durfte ihm aber keine freie Bahn lassen. Er gab, das wurde Wittiges schmerzlich klar, ihm die Schuld an der unheiligen Entwicklung der Ereignisse.
Brunichild ließ sich von ihren Damen hinausgeleiten. Gleich darauf löste Sigibert die Versammlung auf. Wittiges hielt er mit einer Geste zurück, als dieser noch vor Gogo und Lupus den Raum verlassen wollte. Jetzt waren sie nur noch zu zweit. Wittiges schwante Ungutes.
„Du hast es ihr also erzählt?“, stieß Sigibert barsch hervor.
War dem König nie der Verdacht gekommen, dass er, Wittiges, ein besonderes Verhältnis zu Brunichild hatte? Dass er mehr als Hochachtung für sie empfand? Um sich nicht zu verraten, antwortete er in einem förmlichen Ton, den Sigibert ganz und gar nicht schätzte. „Ich konnte ihr die Auskunft nicht verweigern. Sie ist meine Königin.“
„Und meine.“ Sigibert legte ihm die Hand auf die Schulter. „Wenn Guntram Anklage gegen Chilperich erhebt und ihn verurteilt, zwingen wir den Bastard in die Knie. Dann kann er froh sein, noch einen kleinen Teil seines Erbe behalten zu dürfen.“ Er grinste schief. „Allmählich finde ich Gefallen an dieser Anklage.“
Wittiges erinnerte sich, dass Sigibert einige der einträglichsten Güter in der Umgebung von Soissons aus Chilperichs persönlichem Besitz mit Beschlag belegt hatte: Vielleicht hoffte er, sie endgültig behalten zu können. Sigibert würde ihm, Wittiges, also nicht an die Gurgel gehen, wohl war ihm dennoch nicht.
2
Gegen Abend machte sich Wittiges trotz der späten Stunde auf den Heimweg. In Reims hielt ihn nichts mehr. Sigibert und Gogo hatten ihm gestattet, einige Tage auf seinem Gut zu verbringen, bevor er zu Guntram reiste. Diese kostbaren Tage wollte er ausnutzen und fieberte geradezu der Heimkehr entgegen.
Reims war zwar Königssitz, aber eher eine Kleinstadt. Paris hatte wesentlich mehr Einwohner, und die Gebäude hier konnten sich mit jenen dort kaum messen. Allerdings entfaltete sich in Reims eine zunehmende Bautätigkeit. Immer mehr Edle, die im Umland Güter besaßen, wollten auch über ein Stadthaus verfügen und so schwanden die Flächen innerhalb der Stadtmauer, auf denen Schafe weideten oder Gärten angelegt waren, und die Viertel wuchsen zusammen. Irgendwann wollte sich auch Wittiges hier ein Haus leisten. Wenn es aber so schleppend mit seiner Wirtschaft voranging wie bisher, käme er höchstens in zehn oder fünfzehn Jahren zu einem Haus in der Stadt, und er könnte sich nicht mehr leisten als einen geduckten, eingeschossigen Fachwerkbau, der unter seinem Strohdach Platz für zwei Schlafkammern und einen Stall bot. Die schönsten Häuser gehörten einer Handvoll reich gewordener Kaufleute, die Sigiberts Hof mit Nachschub an allem Lebensnotwendigen versorgten. Mit ihnen konnte sich Wittiges längst nicht messen.
Das Gewimmel auf den Straßen hatte merklich
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