Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
erotisches Interesse, das ein bisschen abzuflauen drohte, aufs Neue erregt. Jetzt ließ er sie im Bett in Ruhe, aber das kümmerte sie nicht. In drei Monaten würde hoffentlich mit der Geburt eines Thronfolgers ihr heißester Wunsch in Erfüllung gehen. Mit einem Sohn sollte ihre Herrschaft in Austrasien für alle Zeit gesichert und die Gefahr gebannt sein, dass sich Sigibert eine Nebenfrau nahm. Das war immer noch möglich, allen anders lautenden Beteuerungen zum Trotz.
Wittiges hatte sie unter gesenkten Lidern beobachtet, während sie mit Aletha sprach. „Wir haben Stoffe dabei“, sagte er nun. „Sie werden dir gefallen, und wenn der Frühling kommt, wirst du sie tragen.“ Wärme sprach aus seiner Stimme, er lächelte sie zögernd, fast schon mitleidig an und daran erkannte sie, wie elend sie aussah.
„Bis dahin dauert es noch lange. Wolltest du nicht zu Sigibert? Er und die anderen warten schon auf dich. Also lass dich nicht aufhalten“, sagte sie schroff.
Elegant verneigte sich Wittiges vor ihr und ging. Er hatte Briefe mitgebracht, die er in der Kanzlei abzugeben gedachte, bevor er an einer Zusammenkunft des Kronrats teilnahm. Er hoffte, auch Priscus anzutreffen. Denn er hatte einen Brief des Comes von Marseille für ihn, den er in Lyon zur Weiterbeförderung übernommen hatte. Auf dem Weg zur Kanzlei fiel ihm ein, dass er das Schreiben an Priscus auch in dessen Unterkunft im Palast bringen konnte. Das Zimmer war leer, und es sah so aus, als habe Priscus nur rasch sein Gepäck abgestellt, bevor er zum König geeilt war. Auf einer Steinbank unterhalb des Fensters bildeten Kleidungsstücke einen unordentlichen Haufen. Eine derartige Nachlässigkeit hätte sich Wittiges mit seinen Sachen nie erlaubt. Aletha hätte ihn gerügt, wenn er mit guter Kleidung so umgegangen wäre. Ein offener Reisesack lag auf dem Bett, sein Inhalt war zum Teil herausgefallen, und eine Schriftrolle war fast unter das Bett geraten. Wittiges bückte sich, um sie aufzuheben.
Als er die Rolle auf den Tisch legen wollte, fiel ihm das Siegel auf. Dieses Siegel kannte er, und es war offenbar bereits vor geraumer Zeit erbrochen worden. Ohne lange zu überlegen rollte er das Schreiben auseinander und überflog den Inhalt. Ein fast vier Jahre altes amtliches Schreiben. Wittiges hörte nicht, wie sich hinter ihm die Tür öffnete. Erst als sich Schritte näherten, wurde er aufmerksam, aber da war es bereits zu spät. Jemand bohrte ihm einen Dolch in die Seite. Und sagte keinen Ton. Wittiges riss den Kopf herum.
„Priscus!“, stieß er hervor. „Hast du mich erschreckt! Was ist, willst du mich erstechen?“
„Ich hielt dich für einen Dieb“, sagte Priscus langsam. „Was hast du da?“
Sobald Wittiges die Dolchspitze nicht mehr spürte, wich er zur Seite aus. „Etwas wirklich Seltsames. Ein Schriftstück, das ich vor Jahren verloren habe. Oder besser ein Freund von mir. Du kennst ihn: den Musiker Alexander. Es ist ...“ Wittiges hatte während seiner Jahre als Spion gelernt, sich auch in brenzligen Situationen nicht anmerken zu lassen, was in ihm vorging. So gab er sich völlig arglos.
„Ach das da.“ Priscus zog ihm seelenruhig das Schreiben aus den Fingern. „Es ist nicht mehr von Nutzen, nicht wahr? Er hat seine Freiheit bekommen. Und was willst du hier?“ Priscus’ Blick spiegelte nichts als mildes Erstaunen.
Wittiges grinste schief und holte den Brief heraus. „Den wollte ich nicht länger mit mir herumschleppen. Ein Brief des Comes von Marseille an dich. Vermutlich ist der Mann mit irgendwas unzufrieden. Wahrscheinlich haben Sigiberts Steuereintreiber zu viel von ihm verlangt. Aber sag mir doch, wie kommst du an eine Urkunde, die vor beinahe vier Jahren in Toledo für Alexander ausgefertigt wurde? Wir, Alexander und ich, haben verzweifelt danach gesucht.“
Meine Sachen sind damals durchsucht worden, dachte Wittiges, - etwa in deinem Auftrag?
Ratlos schüttelte Priscus den Kopf. „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Es ist ungefähr eine Woche her, da habe ich das Schriftstück unter meinen Sachen entdeckt. Du weißt, ich bin fast so viel unterwegs wie du und kaum jemals zu Hause. Es steckte in einem alten Reisesack, weiß der Himmel, wie es dorthin gekommen ist. Sieht fast wie ein übler Streich aus, nicht wahr? Ich habe das Schreiben mitgebracht, um es in der Kanzlei abzugeben und darum zu bitten, dass man es an den Mann weiterleitet, den es betrifft. Nimmst du es mit? Ich brauch’s nun wirklich
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