Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
war ja auch das Opfer.
Doch auch Aletha wirkte von Tag zu Tag verhärmter. Sie wurde still und bedrückt, während Gailswintha nur selbstsüchtig klagte. Aletha ging die Trennung ans Herz, dabei stand sie doch erst so kurz in ihren Diensten. Brunichild erwärmte sich allmählich für den Einfall, das Mädchen in die Fremde mitzunehmen. Als sie das Vorhaben einmal erwähnte, bat Gailswintha sie inständig, ihr das Mädchen als Vertraute dazulassen. Schon um die Schwester zu beschwichtigen, ließ Brunichild den Gedanken fallen. Am Ende konnte ja auch niemand den Schrecken lindern, der ihr bevorstand.
Immer, wenn sie sich besonders mutlos fühlte, kreisten ihre Gedanken um den Mann, an den sie verheiratet werden sollte. Wer war dieser Sigibert? Ihre Ängste wurden noch von den Mägden geschürt. Sobald die Frauen sich unbelauscht wähnten, wurden ihre Bemerkungen schlüpfriger, ohne zu verraten, was Brunichild so gern erfahren hätte. Niemand weihte sie in das Geheimnis ein, das diese Hochzeit barg. Eigentlich jede Hochzeit.
In ihrer Not wandte sie sich schließlich an die Amme ihrer Mutter. Die Alte war eine iberische Hexe, die Brunichild von Kindesbeinen an kannte. Die übrige Dienerschaft hatte Angst vor ihr, auch Gailswintha mied sie, nur Brunichild nicht. Im Gegenteil, sie hatte ihr eine ganze Menge ihres seltsamen Wissens entlockt, das ihr um einiges reizvoller erschien als alles, was ihre Lehrer ihr beibrachten. Die Frau hatte für ihr Alter noch erstaunlich gute Zähne und volles schwarzes Haar, als ob sie das Geheimnis der ewigen Jugend kannte. Nur die Haut war von unzähligen hauchfeinen Runzeln durchzogen. In diesen letzten beiden Wochen in Toledo war es nicht einfach für Brunichild, mit der Amme allein zu sein. Es gelang ihr nach einem Bad, als sich die Dienerinnen noch um Gailswintha kümmerten. Sie huschte hinaus und fand die Alte auf der Dachterrasse vor den Räumen der Prinzessinnen. Hastig trug sie ihr ihr Anliegen vor.
Die Hexe lachte. Es war ein beunruhigendes, kehliges Lachen. „Das hab ich alles längst vergessen, Schätzchen. Das ist hundert Jahre her. Frag deine Mutter. Es ist ihre Aufgabe, dir Auskunft zu erteilen.“
„Sie sagt, es ergibt sich alles von selbst. Ich brauche nur stillzuhalten. Aber das will ich nicht!“, stieß sie zornig hervor.
„Du hast Angst, nicht wahr?“ Lauernd musterte die Alte sie und kicherte vor sich hin. „Du hasst es, in eine Lage zu geraten, die du nicht beherrschen kannst.“
Auf einmal brach die stoische Haltung zusammen, die Brunichild allen gegenüber so krampfhaft an den Tag gelegt hatte. Sie schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte. Eine Welle der Verzweiflung wogte über sie hinweg, schüttelte sie erbärmlich, ließ nichts mehr übrig von ihrem Stolz, dem aufgesetzten Hochmut und der vorgeschobenen Kaltblütigkeit. Sie war ein Kind, das sich mit unsagbaren Ängsten und furchtbaren Ahnungen alleingelassen fühlte.
Eine Weile reagierte die Amme nicht, dann aber legte sie die Kunkel beiseite, auf die sie einen dünnen Wollfaden spann, strich Brunichild über das Haar und redete in einem alten vertrauten Singsang leise und beruhigend auf sie ein.
Endlich hob Brunichild den Kopf. „Verstehst du? Ich muss über die Ehe Bescheid wissen. Ich muss alles wissen, um nicht zwischen diesen Franken unterzugehen. Wie gehe ich mit meinem Gatten um, wenn wir allein sind? Das Zeug, das die Ratgeber meines Vaters mir in den Kopf stopfen, hilft mir nicht. Am Ende habe ich nur mich selbst.“
„Das ist mehr, als du glaubst.“ Die Hexe wiegte sich auf ihrem Schemel hin und her, murmelte in einer fremden Sprache vor sich hin und fuhr schließlich verständlicher fort: „Wenn du dich kundig machen willst, brauchst du eine Frau, die sich wirklich auskennt.“ Sie betrachtet die Prinzessin abwägend von der Seite. „Aber du begibst doch in große Gefahr, wenn du sie aufsuchst.“
Brunichild zuckte die Schultern. „Vor Gefahren fürchte ich mich nicht.“ Eine Spur ihrer alten Kühnheit kehrte zurück. „Also sag schon, wer ist diese Frau?“
Die Amme zögerte, und Brunichild wurde allmählich ungeduldig. „Bitte, Amme, was ...“
Die Frau hob ruckhaft den Kopf. „Sei still! Komm heute abend nach Sonnenuntergang zu mir. Dann gebe ich dir etwas, das die Gefahr ein wenig mildert.“
Brunichild stand auf. „Ich warte, bis Gailswintha schläft. Ich will sie nämlich nicht mitnehmen.“
„Sie darf nicht einmal ahnen, was du vorhast“, entgegnete die
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