Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
formierte sich bereits der Reisetross. Ochsen brüllten, Pferde wieherten. Wittiges zwängte sich an dem Zug vorbei und stürmte die Treppe zum Palast hinauf. Oben prallte er gegen den Franken, den er suchte. Leutselig deutete dieser auf die Rollen, die Wittiges unter dem Arm trug.
„Du hast es schon?“
„Was?“, rief Wittiges außer Atem.
„Das Schreiben aus der Kanzlei. Du bist in das persönliche Gefolge der Prinzessin aufgenommen worden. Es müsste alles geregelt sein. Nur musst du dich beeilen, um zu packen. Der Aufbruch steht unmittelbar bevor.“
„Da wäre noch etwas.“ Wittiges war das Schreiben plötzlich nicht mehr so wichtig. Zwar hatte Alexander seinen Verdacht nicht ausdrücklich bestätigt, aber für ihn selbst stand fest, dass nur zwei Männer für den heimtückischen Überfall auf seinen Freund in Frage kamen. Niemand außer Falco und Ingomer hegten einen derartigen Groll gegen den harmlosen Musiker. Wittiges wollte Rache und ebenso Vergeltung für das getötete, unschuldige Kind.
„Nicht jetzt!“, wehrte der Franke ab. Ein anderer Mann näherte sich ihm.
„ Vicarius Priscus, Dux Gogo wünscht dich sofort zu sprechen.“ Beide Männer eilten davon, bevor Wittiges sie aufhalten konnte.
Priscus, den Namen würde er sich merken. Aber wen konnte er nun mit Alexanders Leid behelligen? Fränkische Krieger verließen den Palast, andere strömten an ihm vorbei durch die Türen hinein. Entmutigt trat er zurück. Erst einmal würde er zu Alexander zurückkehren und dann einen zweiten Versuch wagen. Wenn noch so viel Zeit blieb.
Alexander setzte sich auf, als Wittiges eintrat. „Das ist für dich gekommen.“ Auf dem Boden lagen eine gesiegelte Schriftrolle und ein in Leinen eingewickelter länglicher Gegenstand, in dem Wittiges sein neues Schwert vermutete. Er ging in die Hocke und betastete das Bündel.
„Hör zu“, sagte er, ohne aufzuschauen, „ich verlasse heute noch Toledo und schließe mich den Franken an. Ich will nicht bleiben und kann nicht bleiben.“
Unten im Stall hatte ihn Rado angesprochen. „Du willst uns verlassen?“, hatte er verstimmt gefragt. „Eben kam ein Kanzleischreiber und behauptete, dass du dich den Franken anschließt. Was ist in dich gefahren? Dein Platz ist hier bei uns. Und ich brauche deinen Bauto für weitere Stuten, die gerade rossig geworden sind.“
Traurig hatte sich Wittiges im dämmrigen Stall umgeschaut. Durch seinen Einsatz in den vergangenen zwei Wochen hatte er sich eine anständige Arbeit, eine schöne Wohnung und ein Auskommen geschaffen. Vielleicht ein Auskommen.
„Hattest du nicht von einem Entgelt für das Decken der Stuten gesprochen?“, hatte er kühl entgegnet.
In Rados Miene war Empörung aufgezuckt. Über Geld redete man am Hof nicht. Geld wurde als Geschenk überreicht, als Anerkennung mit anderen Gaben, als freundliche Geste. Aber regelrecht Bezahlung zu fordern, galt als ausgesprochen unfein. „Du wirst dein Geld erhalten, ich werde es umgehend veranlassen.“
„Das höre ich gern“, sagte Wittiges glatt, „dann entschuldige mich bitte, denn ich habe noch viel zu tun.“ Mittlerweile fieberte er der Abreise entgegen. Nur musste er noch eine Lösung für Alexander finden. Er durfte ihn nicht einfach sich selbst überlassen und sich aus dem Staub machen.
„Nimm mich mit“, bat Alexander.
Wittiges hatte fast so etwas befürchtet. „Ich kann dich nicht mitnehmen. Du musst hierbleiben, das weißt du selbst.“
Unter größter Anstrengung schüttelte Alexander den Kopf. „Wenn du mein Freund bist, nimmst du mich mit.“
„Wenn die Franken erst abgezogen sind, wird dir niemand mehr Schaden zufügen. Und mitzukommen heißt doch, die Gefahr immer wieder heraufzubeschwören.“
Aber das galt auch für ihn selbst. Er würde sich vorsehen müssen. Seine ganze Hoffnung auf Schutz gründete auf seiner Bekanntschaft mit dem fränkischen Vicarius Priscus und der Hoffnung, dass Gogo seine Untergebenen auf der Reise besser im Griff hatte. Und außerdem waren da die Westgoten. Er gehörte zum gotischen Gefolge, nicht zum fränkischen.
Alexander rutschte vom Bett und fiel stöhnend vor Wittiges auf die Knie. „Ich begebe mich als Sklave in deine Hand, ich gehöre dir.“
„Hör auf mit dem Unsinn!“, rief Wittiges.
„Kein Unsinn“, erklärte Alexander röchelnd. „Ich habe alle verloren, an denen mein Herz hing. Heute, ach was, gestern starb eine Freundin von mir. Sie war Philipps Großmutter, eine Hure aus dem
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