Der Geliebte der Königsbraut: Historischer Roman (German Edition)
einem unbeobachteten Moment einen sehnsüchtigen Blick zuwarf. Seine ganze Liebe lag in diesem Blick und ungestümes Verlangen.
An Fredegunds ungeheuerliche Enthüllung hatte sie sich erst wieder bei der Rückkehr in ihr Gemach erinnert. Aletha hatte also einen Liebhaber! Sie hatte es gewagt, sich einem Mann hinzugeben und auch noch schwanger zu werden. Maßlos empört, packte sie Aletha bei den Schultern und schüttelte sie heftig. Willenlos hielt die Magd still, bis sie von ihr abließ. Etwas an ihrem Ausdruck war merkwürdig. Jetzt legte sie vorsichtig eine Hand auf den Leib, während sie ungläubig den Kopf schüttelte.
„Nein, nein ...“, wimmerte sie beinahe tonlos.
Brunichild wurde immer ungeduldiger. „Nein, was? Hast du mit einem Mann geschlafen, ja oder nein?“ Die häufigen Unpässlichkeiten ihrer Magd fielen ihr ein, das Erbrechen am Morgen, die Blässe, die Unaufmerksamkeit und die Schwäche. Fredegund und Sidonia hatten recht. Aletha war schwanger! Aber anscheinend wusste sie es selbst nicht, denn ihre Augen weiteten sich, ihr Blick wurde geisterhaft und spiegelte schieres Entsetzen. Sie fuhr sich mit der Hand an die Kehle, als würge sie jemand.
„Wer ist es? Kenne ich ihn? Sag’s mir!“, herrschte Brunichild sie an. Es musste einer der fränkischen Knechte sein. Oder einer der westgotischen? Ein Krieger aus ihrer Begleitung? Jemand hatte ihre scheue kleine Magd verführt. Geschwind spielte sie alle Möglichkeiten durch. Etwa ... Chilperich? Ein Stich durchzuckte sie. Ausgeschlossen! Sicher hatte er das Mädchen nicht einmal wahrgenommen. Außerdem würden sich dann nicht jetzt schon Anzeichen einer Schwangerschaft bemerkbar machen.
„Nein!“ Aletha war auf die Knie gesunken.
„Wenn du es mir nicht sofort sagst, schicke ich dich zurück nach Toledo! Du hast dich vergessen, du gibst mich der Unehre preis, du hast dich zur Hure gemacht“, schrie Brunichild außer sich vor Zorn. Sie wollte Aletha so heftig einschüchtern, bis sie ihr alles über den Fehltritt gestand.
Aletha sprang auf, rannte zu einem Tischchen mit Schminkutensilien und Instrumenten zur Körperpflege und ergriff ein Nagelmesserchen mit scharfer kurzer Klinge. Wie von Sinnen hob sie das Messer und bog den Hals, um sich die Klinge in die Kehle zu stoßen. Brunichild schrie gellend auf. Aletha stockte mitten in der Bewegung. Bevor sie doch noch zustechen konnte, war Brunichild heran und fing ihren Arm ab, entriss ihr das Messer und schleuderte es auf den Fußboden.
„Bitte, lass mich sterben!“, schluchzte Aletha.
„Niemals!“ Brunichild nahm sie in die Arme und drückte sie an sich.
„Du Törin!“, flüsterte sie. „Du glaubst doch nicht, dass ich dich im Stich lasse! Wegen einer solchen Sache. Ich finde eine Lösung für das Problem, vertrau mir.“
Nur langsam beruhigte sie sich selbst. In Toledo wäre sie zu der alten Hexe gegangen, der Amme ihrer Mutter, die einen passenden Kräuterextrakt für derartige Fälle parat gehabt hätte. Ein wenig wurmte es sie, dass Audovera, Sidonia und die anderen vornehmen Damen nun annahmen, sie habe ihre Dienerschaft nicht im Griff. Doch vor allem musste sie herausfinden, welcher Mann Aletha geschwängert hatte.
Die Verzweiflung ihrer Magd ließ ihr keine andere Wahl, als sie bei sich im Bett zu behalten und sie wie ein krankes Kind zu hätscheln und zu liebkosen, bis sich der verkrampfte Körper allmählich entspannte. Drei Becher gewürzten Weins nötigte sie ihr auf, und dann hatte sie Aletha endlich so weit, ihr etwas zu schwören. Erst danach war sie einigermaßen sicher, dass das Mädchen keinen zweiten Versuch unternehmen würde, sich etwas anzutun.
Einen Tag später nahm Brunichild Abschied von Guntram und seiner Familie. Zu diesem Zeremoniell gehörte der Austausch kleiner Geschenke. Brunichild hatte sich für diese Gelegenheit einige fein gearbeitete Silberschalen, mit aufwendigen Mustern ziselierte Fibeln, Ringe und kostbaren Goldstoff aus ihrem Schatz aushändigen lassen. Gogo war nicht recht einverstanden mit ihrer Auswahl, aber es war ihr gleichgültig, ob er ihre Geschenke für zu verschwenderisch erachtete. Sie hasste jeden Anflug von Geiz. Nach den üblichen Bekundungen von Freude und Dank war sie mit Gogo schon auf dem Weg nach draußen, als Guntram sie verschmitzt lächelnd beiseite nahm und ihr ein Kästchen in die Hand drückte.
„Hier habe ich noch etwas für dich. Nichts Wertvolles, nur eine hübsche Kleinigkeit“, erklärte er schmunzelnd.
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